Von den Sternen gekuesst
Stück Blätterteig in Form eines Fisches lag. » Saumon en croûte an Möhren in Currybutter«, verkündete sie.
»Mamie, das klingt sagenhaft! Hast du das gekocht?«, fragte ich. Der Geruch von Pastete und Lachs machte mir schlagartig bewusst, wie hungrig ich eigentlich war.
Mamie schnalzte mit der Zunge. »Ich habe den ganzen Tag gearbeitet, meine liebe Katya. Dies ist das Werk von Monsieur Legrande«, sagte Mamie und meinte damit den Besitzer des Delikatessengeschäfts ein Stück die Straße hinunter. »Aber ich bin mir sicher, dass er es mit Liebe gemacht hat.« Sie zwinkerte.
»Ich würde es selbst dann essen, wenn er es mit Lust gemacht hätte«, erklärte Georgia, während sie ins Esszimmer trat. »Obwohl, wenn ich mir einen lüsternen Monsieur Legrande vorstelle … Igitt.« Sie rümpfte die Nase.
Papy verdrehte die Augen. » À table , meine Lieben.«
»Gibt’s schon was Neues, Katie-Bean?«, fragte Georgia und setzte sich. Dabei war das reine Förmlichkeit, schließlich wusste sie, dass ich angerufen hätte, wenn etwas Wichtiges passiert wäre.
Ich schüttelte den Kopf.
»Selbst wenn bisher noch keine Lösung zur Hand ist, musst du doch sehr erleichtert sein, dass Vincent wenigstens für ein paar Tage frei ist«, sagte Mamie, stellte das Tablett ab und kam zu mir um den Tisch, um mich fest in den Arm zu nehmen. »Und dieser Heiler scheint ja eine ganze Menge über Revenants zu wissen. Er wird eine Lösung finden, da bin ich mir sicher«, bestärkte sie mich.
Als wir alle unsere Plätze eingenommen hatten, wünschte Mamie uns bon appétit und schon machten wir uns über das köstliche Essen her.
»Ich habe mich übrigens gefragt, ob du schon mal auf das Thema Verkörperlichung gestoßen bist«, äußerte ich in der Hoffnung, dass Papy ohne große weitere Ausführungen bei dem Thema anbeißen würde. Und die Nummer ging auf. Ich konnte seinem Verstand förmlich beim Arbeiten zusehen.
»Verkörperlichung«, wiederholte er. »Einem leblosen Objekt Leben einhauchen. Ein interessanter Gedanke.« Er tippte sich ans Kinn. »Im christlichen Umfeld gibt es eine symbolische Verkörperlichung während der Eucharistie – wenn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt werden. Vermutlich geht dieses Ritual auf einen Brauch im alten Ägypten zurück, wo Anhänger von Osiris »heiligem Brot« aßen, das von Priestern geweiht und als heiliges Sakrament gereicht wurde. Abgesehen davon will mir spontan kein Beispiel für jemanden einfallen, dem ein neuer Körper geformt und dann wieder Leben eingehaucht wurde.«
»Was ist denn mit Frankensteins Monster?«, brachte Georgia sich mit helfender Miene ein.
»Pst, Georgia«, mahnte Mamie, pikte ein Möhrenstück auf und steckte es sich demonstrativ in dem Mund.
»Ich meine das ganz ernst. Das ist doch auch ein Fall, wo ein Körper buchstäblich aus Einzelteilen zusammengeflickt wurde und dann per Stromschlag eine Seele bekam.«
»Ich glaube, der Stromschlag hat die einzelnen Körperteile nur zum Leben erweckt«, widersprach Papy. »Eine Seele hat das Monster dadurch nicht bekommen.«
»Ich erinnere mich ziemlich deutlich daran, dass es am Fluss mit einem kleinen Mädchen gespielt und außerdem geweint hat«, beharrte Georgia. »Jemand ohne Seele weint nicht.«
»Können wir vielleicht Horrorfilme und -literatur lieber ausblenden und uns wieder auf das wahre Leben konzentrieren?«, fragte ich und legte mein Besteck auf den Teller. Georgia stopfte sich derweil mehr Lachs in den Mund. Die Vorstellung eines Körpers, der aus Leichenteilen zusammengesetzt war, schien sich nicht weiter auf ihren Appetit auszuwirken. »Außerdem bezweifle ich, dass die Revenants sich einen Vincent aus Einzelteilen zusammenbasteln werden, um dann auf einen Blitz zu warten, der ihn wieder zum Leben erweckt«, fügte ich hinzu.
»Das ist vermutlich auch überflüssig«, erwiderte Georgia und hielt die Gabel hoch, wie um ihr Argument zu unterstreichen. »Heutzutage gibt es doch Defibrillatoren.«
Frustriert schloss ich die Augen.
»Georgia?«, sagte Mamie.
»Ja?«
»Hältst du jetzt bitte den Mund?«
»Also gut.« Meine Schwester zuckte mit den Schultern, wohl um auszudrücken, dass wir es noch bereuen würden, ihr nicht weiter zuhören zu wollen.
Ich wandte mich an meinen Großvater. »Obwohl sich Monsieur Tândorn daran erinnern kann, dass in den Aufzeichnungen seiner Vorfahren etwas zu diesem Thema steht, wollte ich trotzdem auch dich fragen. Schließlich bist du mein
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