Von den Sternen gekuesst
ich.
Kate, das ist wirklich nicht wichtig , flehte Vincent. Und ich will es dir nicht verschweigen, weil ich meine, dass du das nicht ertragen kannst, sondern weil …
»Erzähl’s mir.«
Violette hat meinen Geist in ein Kaninchen überführt, das sie daraufhin tötete und roh verschlang. Aber irgendwann, nachdem das Tier starb und bevor sie es aß, löste sich mein Geist von dem Kaninchen.
»Was wäre passiert, wenn das geklappt hätte? Wenn du wirklich der Meister wärst?«, fragte ich Vincent.
Bran antwortete an seiner Stelle. »Violette hätte Vincents Geist in sich aufgenommen, der dann mit ihrem eine Verbindung eingegangen wäre. Sein Wesen hätte sich mit ihrem verwoben und seine Kräfte wären auf sie übergegangen.«
Aber dazu ist es ja, ganz offensichtlich, nicht gekommen , merkte Vincent schnell an.
Mir tat der Kopf weh. Hinter den Augenbrauen brannte es dumpf, wie sonst, wenn ich zu schnell etwas Eiskaltes getrunken hatte. Ich fasste mir mit der Hand an die Stirn und spürte Tränen in mir aufsteigen. Der bloße Gedanke daran, dass sich Vincents und Violettes Wesen miteinander verbanden, löste Übelkeit bei mir aus.
Es ist alles in Ordnung, ich bin doch jetzt hier , sagte Vincent.
»Und was machst du, wenn Violette dich zu sich zurückholt? Was sagst du ihr? Dass sie alles richtig gemacht hat, sie bloß nicht erfolgreich war, weil du nicht der Meister bist?«, fragte ich.
»Nein, er wird sie belügen«, sagte Jean-Baptiste. »Wir werden uns einfach ein Ritual ausdenken, das völliger Humbug ist. Das darf sie dann als Nächstes ausprobieren und wir gewinnen noch ein bisschen Zeit.«
Nun mischte Bran sich ein. »Mit Zeit allein ist auch niemandem geholfen. Vincent bleibt so lange an sie gebunden, bis einer von zwei Fällen eintritt.«
»Und die wären?«, fragte ich.
»Entweder wird Violette getötet oder Vincent wieder verkörperlicht.«
Ich würde sie töten. Nur zu gern , dachte ich. Dabei verschlimmerte der Zorn nur meine Übelkeit. Als ich mir ausmalte, wie meine Chancen standen, eine Revenantfrau zu ermorden, die von einer Horde Numa beschützt wurde, entschied ich mich doch für etwas Praktikableres. »Dann müssen wir eben den Abschnitt über die Verkörperlichung finden«, drängelte ich.
»Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter mir die Geschichte vorgelesen hat, als ich noch ein Kind war. Ich selbst habe sie noch nicht gesehen, weshalb ich nicht sagen kann, in welchem dieser Bücher sie steht«, räumte Bran ein. »Ich werde sie nacheinander durchgehen müssen, bis ich sie gefunden habe.«
»Ich helfe gern«, bot ich an. Ich streckte die Hand nach einem der Bücher aus, zog sie jedoch schnell wieder zurück, als ich Brans Gesichtsausdruck sah.
»Es tut mir sehr leid, mein Kind, aber diese Texte beinhalten alle Geheimnisse, die meiner Familie anvertraut wurden«, erklärte er. »Ich habe geschworen, sie zu beschützen und niemandem zu zeigen.«
Schon verlor ich wieder den Mut. Wenn Bran all diese Schriften allein durchackern musste, würde das viel Zeit kosten. Zeit, die wir nicht hatten.
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dir Gesellschaft leiste, bis ich nach Hause muss?«, fragte ich.
Was willst du denn hier machen? , fragte Vincent. Ihm beim Umblättern zusehen? In null Komma nichts wirst du dich langweilen und ihn mit deinen Fragen in den Wahnsinn treiben.
»Hier gibt es ja wohl genug, mit dem ich mich beschäftigen kann«, erwiderte ich und deutete auf die prallvollen Bücherregale. »Ich will einfach noch nicht nach Hause.«
»Du darfst sehr gerne bleiben«, sagte Bran zu meiner Erleichterung.
»Vincent und ich werden die Gelegenheit nutzen, uns ein wenig zu unterhalten«, kündigte Jean-Baptiste an. »Ich möchte alles über Violette und ihre Pläne wissen.«
Ich bin gleich wieder da ,mon ange, versprach Vincent.
Die folgenden Stunden verbrachte Bran damit, sorgfältig seine Bücher durchzugehen, während Gaspard nicht von seiner Seite wich. Seine Ticks waren wesentlich schlimmer als sonst, fast permanent rang er zitternd mit den Händen, wobei er Bran nicht aus den Augen ließ. Vermutlich resultierte seine Nervosität daher, dass sich solch eine Fülle geheimer Informationen in greifbarer Nähe befand und er sie dennoch nicht berühren durfte. Allein der Gedanke daran, was in diesen Büchern stehen könnte, reichte ja schon aus, mich komplett neugierig zu machen, dabei war ich wahrlich kein überdrehter Historiker aus dem neunzehnten Jahrhundert. Unter
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