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Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben

Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben

Titel: Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Abenden mit Freunden meine Redeflut gelegentlich etwas ausufert, doch bestimmt nicht auf diesem Schiff, wo man seine Worte zügelt, wo es einen strikten Plan gibt und eine kollegiale Atmosphäre, in der man gleichberechtigt miteinander umgeht. Ich habe viel die alten Griechen gelesen, ich weiß, wie man eine Schiffsbesatzung führt. Ihr seid meine Zeugen, wie ich euch seit drei Tagen Punkt für Punkt und ohne jemals ins Schleudern zu geraten das Thema erläutere, wie durchdacht ich dabei vorgehe, mit der organisierten Logik der Kröte, in kurzen, kleinen Sätzen und sehr sachlich. Umso mehr verwundert mich das alles, die Sache scheint allmählich aberwitzige Dimensionen anzunehmen, ein Huhn nach dem anderen trifft bei mir ein mit einer Botschaft von Land. Und dabei bin ich im Leben, im gewöhnlichenLeben, meine ich, wenn ich nicht mit euch an Bord eines Schiffes auf hoher See unterwegs bin, ein sehr maßvoller Mensch. Ein kleiner Kommentar hier und da aus gutem Grund, und alles ist gesagt. Vielleicht hat eine listige Hand mir etwas in den Wein geschüttet, schon möglich. Es sei denn, es ist sogar eure Schuld, habt ihr daran schon mal gedacht? Dann seht euch an, in welch missliche Lage ihr mich bringt.
    Dennoch, ein Zweifel streift mich. Ich kenne nur zwei Leute, die in der Lage sind, ohne Sinn und Verstand herumzuschwadronieren, und beide sind Schriftsteller. Das ist schon mal ein schlechtes Zeichen. Ich selbst habe solche halluzinierenden Autoren erlebt, die ohne Ende irgendwelches Zeug quasseln, gleichzeitig aber unfähig sind, vor Anker zu gehen, Leute, die euch sagen: Fahrt mir diesen Kessel hoch und volle Kraft voraus, ohne sich um die Ventile oder die Konsequenzen zu scheren. Bis diese Ventile sie unsanft beim Kragen packen und ihnen zuschreien: Habt ihr den Verstand verloren oder was? Mit solchen Scherzen können einem schnell mal tausend Gefährten auf einen Schlag hopsgehen. Wiederholt diesen Fehler fünfmal nacheinander, und euer Schiff ist entvölkert, ihr steht allein da mit eurem Redeschwall.
    Ich sehe H. auf Deck, wie es lustlos vor sich hin pickt,ziemlich betreten, weil es der Überbringer dieser irritierenden Nachrichten gewesen ist. Ich mag dieses Huhn. Apropos Hühner, da muss ich euch unbedingt von Mozart erzählen, das könnte für unsere Stehleitern von großem Interesse sein . Nein, ich muss es auf später verschieben, ich erhalte gerade ein wichtiges Telegramm.
    Bleibt ganz ruhig, sage ich, zeichnet weiter an eurer Ente, es eilt überhaupt nicht, aber überlegen wir trotzdem. Man empfiehlt mir, doch mal die Schiffsbesatzung durchzugehen, kommt nicht in Frage, lehne ich ab, das ist ein Einschüchterungsversuch. Man will mir einreden, ich hätte zweihundertfünfzigtausend Weggenossen verloren, die sich mit mir auf der Triere eingeschifft hätten, um dem Samstag der Hoffnung entgegenzusegeln. Soll das ein Scherz sein? Mal im Ernst, haltet ihr das für möglich? Doch der Zweifel schlägt seine stählernen Klauen in meine Beredsamkeit.
    Und ich sage, Vorsicht! Wir haben keine Beweise. Es ist vielleicht gar nicht meine Schuld, wenn zweihundertfünfzigtausend Gefährten im Abenteuer unsere Reihen verlassen haben. Vielleicht hat es mit dem Zeug zu tun, das man uns im Parc de la Villette in den Wein gekippt hat, erinnert euch, in welchem Zustand ihr selber wart, oder es war das Ding mitdem Kessel, der wegen dieses Spitzwegerichs fatalerweise ins Brodeln gekommen ist. Oder aber es ist eure Schuld, diese letzte Lösung sagt mir am meisten zu. Begreift ihr nun, wohin wir geraten sind mit eurem überbrodelnden Geschwätz? Ihr redet zu viel und sagt nichts, das ist Totalitarismus, mich habt ihr überhaupt nicht zu Wort kommen lassen, das Schiff driftet ab, das Ergebnis sehen wir. So, ihr habt andere Lösungen vorzuschlagen, ich ahnte es, seit Tagen schon bemerke ich, wie argwöhnisch und aufsässig ihr seid. Also, ich höre. Seht, wie gelassen ich bin und offen für alle Vorschläge. Ich warte auf eure Anregungen.
    Ihr werft mir wüstes Drauflosreden vor? Ein aufbrausendes Wesen? Besessenheit?
    Das sind Unterstellungen, für die ihr allein geradestehen müsst . Zeugen gibt es nicht, und Beweise habt ihr nicht. Genauso wenig wie wir den Kerl ausfindig gemacht haben, der etwas in den Wein gemischt oder mir erbarmungslos befohlen hat, zum Wohle der Menschheit ein Schiff zu chartern. Ich habe den Eindruck, der Typ ist nicht sehr komisch.
    Der Teufel? Macht ihr Witze? Also bitte, bewahren wir einen kühlen Kopf,

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