Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben
hätte, das sei einfach lächerlich gewesen.
Aber was kann ihm das ausmachen? Wo sind wir hier? In einer Psycho-Schocktherapie? In einer Reha-Experimentierzelle? Wenn es mir Spaß macht, ein bisschen mit Blaise zu plaudern, was geht ihn das an? Soweit ich weiß, tu ich niemandem damit weh. Nein, dieser Mensch ist kein bloßer Umerzieher, er ist etwas viel Bedrohlicheres. Lasst mich nicht allein mit ihm. Ich sage das und muss lachen: Ich bin nicht allein, ichhabe ja H. Und hinter H. meine Zwillingsschwester. Also, ihr seht.
Natürlich ist die Geschichte wahr, es geht um einen jungen Mann. Einen Serben. Es kommt zum Krieg. Ich hoffe, ihr bemerkt, wie realistisch ich sein kann, wie pragmatisch. Der junge Mann will nicht töten. Von allen Seiten brüllt es: Nieder mit dem Feind! Ich spare meine Worte, aber wir haben keine Wahl, wir sind nicht mehr unser eigener Herr, das Schiff gehört uns nicht mehr. Der junge Mann fürchtet, er könnte mit einstimmen in dieses Gebrüll. Punkt. Er geht in seinen Keller runter, um es nicht mehr zu hören. Seine Mutter bringt ihm zu essen. Punkt. Erst am Ende des Krieges kommt er wieder heraus. Punkt, aus. Das war eine schöne Geschichte, wir haben sie vollkommen versaut. Und uns gelangweilt. Auf unserer Triere, das kann ich euch garantieren, wäre das was ganz anderes gewesen. Wir hätten darüber diskutiert, wie ansteckend kriegerische Begeisterung sein kann, hätten über den FW des jungen Serben in seinem Kellerloch gesprochen, über seine gleichzeitigen Gefühlsausbrüche, über seinen Mut, sich zu drücken, es wäre einfach grandios gewesen. Wohingegen hier – nichts.
Ihm aber hat es gefallen. Knapp und bündig, wahrheitsgetreu, instruktiv, ohne belangloses Geschwätzdrumherum oder irgendeine Abschweifung. Streng authentisch, ohne Hokuspokus, so gefällt es ihm. Hätte man wetten können, allmählich kriegen wir eine Vorstellung von dem Kerl. Allerdings tut er sich noch Zucker in seinen Sirup, solche kleinen Dinge fallen mir auf. Ich schlage ihm vor, Napfschnecken sammeln zu gehen. Nein, immer noch nicht. Eine Ente zu zeichnen? Gott bewahre. Wäre ja auch zu schön. Er will arbeiten, sonst nichts. Auf seine Weise. So will er von mir wissen, ob ich mit dem Thema Liebe zu Ende gekommen wäre. Natürlich nicht. Unter uns gesagt, die Sache mit dem Melborp hat ihm überhaupt nicht geschmeckt. Was mich auch sehr gewundert hätte. Ich glaube sogar, das war’s, was er am meisten gehasst hat. Er ist dagegen. Seiner Ansicht nach steht es den Leuten frei, zu tun, was sie wollen, ich hätte mich nicht in ihre Angelegenheiten zu mischen, weder was Liebe noch was Violett oder Leiter oder sonst was angeht. Man errät, dass dieser Zisterziensermönch sich noch nie mit so was wie Liebesproblemen herumschlagen musste, er hat offenbar noch nie einen Rat gebraucht oder Durst in der Wüste gehabt, er gehört zu der Sorte Mensch, die fähig wäre, vier Jahre lang auf einer Säule zu stehen und Fliegen zu fressen. Will sagen, so einer ist nicht sonderlichsensibel. Selbst als wir noch auf unserer Triere die Weltmeere unsicher machten (was für ein Abenteuer, großer Gott, wenn ich daran zurückdenke), ging es uns besser als in dieser verfluchten Ausnüchterungszelle, bei allen Feuerungsproblemen, die wir damals hatten. Wisst ihr noch? Was haben wir gelacht, als wir das Embargo der neunmalklugen Ökonomen gebrochen haben, indem wir Spitzwegerich verfeuerten und die Marssegel refften, um voranzukommen.
Aber den Kerl interessiert das nicht, es betrifft ihn nicht einmal. Er ist nicht sehr kooperativ. Viel weniger als ihr. Ja, ich vermisse euch, euren Skeptizismus, eure Gefühlsausbrüche, eure Bierflaschen, eure Revolten, eure wechselnden Launen, eure Sexorgien, eure Disziplinlosigkeit, eure Schusselköpfe und tutti quanti. Wir haben uns doch gar nicht so schlecht amüsiert, als wir mit Macht durch die Roaring Forties durch sind. Und als wir uns auf bloße Sicht mit den 250 angelegt haben. Wisst ihr noch, was die für ein Gesicht gemacht haben? Welch ein Abenteuer, weiß Gott, ich vermisse euch wirklich sehr. Und als der Maschinist über Bord gegangen ist?
Den hier sollte ich auch über Bord gehen lassen? Ist es das, was ihr mir sagen wollt? Ihr seid ja verrückt, ich glaube, ihr habt es immer noch nicht recht begriffen,der hier ist im Boot festgeschraubt, als gehörte er zur Ausstattung. Wer ist dieser Vollidiot bloß?
Ist er vielleicht mein Gewissen? Also, wenn der mein Gewissen ist, dann darf ich
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