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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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tat etwas, das ich noch nie zuvor getan hatte.
    Ich spionierte herum. Ich durchwühlte Schubladen und Kleidungsstücke, suchte nach losen Bodendielen und drehte sogar die Matratze um – sehr zum Verdruss von Tommy Pain. Und ich gab mir keine Mühe, mich dabei unauffällig zu verhalten. Wenn Casper mit harten Bandagen kämpfte, dann konnte ich das schon lange.
    Wie es schien, hatte der enervierende Mann nur sehr wenige Besitztümer. Seine Kleidung, eine versteckte Flasche Wein, die mit Wachs versiegelt war, und ein kleines Notizbuch, das bizarre Poesie in beinahe unleserlicher Handschrift enthielt. Wütende Striche zogen sich über fast jede Seite. Auf der ersten Seite stand »Grasblätter«, was mir mehr als lächerlich vorkam. Grashalme vielleicht. Aber Blätter? Ich blätterte durch das Buch und versuchte, einen offenbar sehr wütenden und diffusen Verstand zu begreifen.
    Ein Satz stand ganz für sich auf einer Seite, jedes Wort in Blockbuchstaben mit einem schweren Stift geschrieben.
    So beginne ich jetzt, siebenunddreißig Jahre alt, in vollkommener Gesundheit,
Und hoffe nicht eher aufzuhören, bis zum Tode
Fahr zur Hölle, Walt Whitman .
    Was für ein ungewöhnlich bizarrer Mann. All seine Habseligkeiten lagen vor mir ausgebreitet, und doch war ich meinem Ziel keinen Schritt näher gekommen. Irgendwie musste es mir gelingen, diesen Diener zu kontrollieren, dem ich zum Heil meines Landes Freundschaft heucheln würde. Und mir lief die Zeit davon. Also ließ ich mich, so ungebührlich und unangenehm es auch war, auf den staubigen Boden nieder und streckte meinen Arm, so weit ich konnte, unter das ungepflegte Bett. Meine Hand streifte etwas Kleines an der Wand, und ich zog meinen Arm aus dem Reich der Schatten zurück, mit dem Objekt in meiner Hand und einem Kratzer von Tommy Pain für meine Mühe.
    Es war ein kleines Kästchen aus poliertem Holz mit einem simplen Scharnierverschluss. Ich öffnete es. Darin lagen eine einzelne Kupfermünze und eine tiefrote Feder.
    »Dass du versucht hast, den Maestro umzubringen, war wohl nicht genug. Versuchst du jetzt auch noch, ihn zu bestehlen?«, erklang da eine Stimme an der Tür.
    Ich knallte das Kästchen wieder zu und warf es zurück unters Bett, wo es den verrückten Kater mit einem kräftigen thwack traf. Der schoss aus der Dunkelheit hervor und rollte sich in einer Ecke zusammen, um sich dort auf extrem unschickliche Art und Weise die Genitalien zu lecken. Ich hüstelte vornehm.
    Zwar würde meine Körpergröße mich nie imposant wirken lassen, doch trotzdem stand ich auf, bevor ich mich dem Ankläger stellte. Und tatsächlich war ich doch ausnahmsweise einmal größer als mein Gegenüber. Dieser Jemand trug mehrere Schichten schmuddeliger und fleckiger Kleidung, eine Fliegermütze und eine Brille, sodass ich nicht erkennen konnte, was ich da eigentlich vor mir hatte: ein Mädchen, einen Jungen, ein Kind, einen Jugendlichen. Das Einzige, was ich auf die Entfernung in dem kleinen Raum sagen konnte, war: Es war menschlich.
    Und ich würde es leer saugen.
    »Ich habe eine Haarnadel unter dem Bett verloren«, sagte ich knapp. »Es ist nicht meine Schuld, wenn er seinen Kram bei den Wollmäusen aufbewahrt.«
    Ich glitt auf meine Beute zu und krümmte die Finger zu Klauen. Die Gestalt grinste und ließ ein Messer sehen.
    »Lektion eins. Keine Späße mit einem Spaßvogel, Kleine. Du saugst Blut von mir, und Casper liefert dich für eintausend wohlverdiente Silberlinge aus, sofern ich dich nicht zuerst ausweide. Übrigens, ich heiße Keen.«
    Ich nickte dem kleinen Bastard zu. »Sei gegrüßt, Keen. Ich bin Ahnastasia, Prinzessin des Großen Schneehofes von Moskovia, Königsstadt der Zarina von Frostland.«
    »Oh ja, und ich bin der Scheißkönig von Frankia.« Keen grinste und zeigte für ein, wie ich annahm, verlaustes Findelkind erstaunlich weiße Zähne. Tommy Pain hatte mittlerweile seine ekelhafte Fellpflege beendet und strich um Keens Füße herum. Als die fleckigen braunen Handschuhe begannen, ihn unterm Kinn zu kraulen, grummelte er wie eine Dampflok.
    »Was kümmert dich dieser unerträgliche Mann?«, fragte ich.
    »Geht dich verdammt noch mal nichts an.«
    »So etwas höre ich hier ziemlich oft.«
    »Das liegt daran, dass arme Leute wie wir reiche Leute hassen, die uns immer das Gefühl geben wollen, wir seien Abfall«, antwortete Keen mit schmalen Augen.
    »Sehe ich reich für dich aus?« Ich breitete die Arme aus, um ihm mein ruiniertes, blutbespritztes Kleid zu

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