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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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du. Die verdammten Idioten werden glauben, es sei der Schwanz eines Einhorns mit magischen Eigenschaften, aus dem sich Uhrentaschen als Glücksbringer machen lassen. Du solltest stolz sein.«
    »Magische Eigenschaften? Offensichtlich bist du nie einem Einhorn begegnet.«
    »Ich habe auch noch nie ein Seeungeheuer oder einen Höllenbären gesehen.«
    Jetzt war es an mir, zu grinsen und meine spitzen Zähne zu zeigen. »Dann warst du noch nie in Frostland.«
    »Heb’ dir die Märchen für Kinder auf, Prinzessin.« Aber ganz kurz hatte ich ihre zähe Fassade wanken sehen. Ich vermutete, sie war noch nie aus London herausgekommen und hatte Angst davor, zu reisen. Dazu hatte sie auch allen Grund, wenn sie glaubte, sie würde mit uns nach Frostland kommen. Und jetzt hatte ich etwas, womit ich sie in der Hand hatte. Ausgezeichnet.
    »Das sind keine Märchen, Schmuddelkind.«
    »Tja, noch sind wir in London, und es wird spät. Also lass uns gehen.«
    Ich ließ mir Zeit dabei, mein Korsett festzuschnüren und meine Stiefel wieder anzuziehen. Vor vier Jahren waren meine Stiefel so weich wie ein Babypopo gewesen, perfekt gegerbtes Bludhirschleder, gefärbt in ein tiefes Gold. Jetzt waren sie vom Alter und Nichtgebrauch spröde geworden, und die Schnüre waren hart und verkrümmt. Was mein Kleid anging, da konnte ich nichts tun, und Keens schmutzige kleine Pfoten wollte ich ohnehin nicht an mir haben. Ich nahm den Hut wieder und drapierte ihn mir so auf den Kopf, dass mein Gesicht unter der hängenden Krempe verborgen war.
    »Du siehst wie eine betrunkene Oma aus«, meinte Keen lachend. »Torkel einfach ein wenig herum und rülpse hier und da. Jeder wird denken, du hättest zu viel Bludwein abbekommen.«
    »Zuviel was?«
    »Ach nichts. Lass uns gehen. Sprich mit niemandem. Versuche, ein wenig gebeugter zu gehen; nicht so, als hättest du einen glühenden Schürhaken im Hintern. Und sag nichts über Köpfe auf Tabletts.« Sie zog eine fadenscheinige karierte Decke von Caspers Bett und warf sie mir über die Schultern. Sie roch nach ihm, gut und schlecht zugleich. »Und wickle dir das um Schultern und Hals. Halte deine Hände verborgen. Da, wo wir hingehen, ist man nicht sehr nett zu Bluddies.«
    Ich arrangierte das armselige Stück Stoff so, wie unsere alte Pinkie-Köchin immer ihr Schultertuch getragen hatte, wenn sie Bludtörtchen machte oder den Trank für mein Bad mischte. Ich krümmte mich etwas, ließ meinen Kopf nach vorn sinken und beugte die Knie. Das widersprach allem in meinem Blud – so zu tun, als sei ich etwas Geringeres, als ich tatsächlich war. Aber ich hatte wilde Gerüchte über die Pinkies in Sangland gehört, die hier über das Bludvolk herrschten, in einem blasphemischen Machtkampf, der gegen die Natur selbst ging. Ich wollte nicht noch einmal ausgeblutet werden oder ein fauliges Stück Gemüse ins Gesicht bekommen.
    Wortlos führte sie mich zur Tür hinaus und die klapprige Treppe hinunter. Zu meiner Freude stellte ich fest, dass ich laufen konnte, aber erschöpft war ich noch immer. Es war wie der traumähnliche Schmerz, wenn man nach einem langen Tag der Jagd neben einem Feuer einschlief, aber ohne das angenehme Gefühl, den Bauch voll mit frischem Blut zu haben.
    Wir kamen an mehreren offenen Türen vorbei. Eine davon führte in den leeren Musiksaal, wo ich im Dunkeln erwacht war und Casper zum ersten Mal gesehen hatte. In der Ecke lag ein Durcheinander aus Kisten, Koffern und Krempel, und mir war, als erblickte ich den Lederdeckel meines eigenen Koffers.
    »Warte«, flüsterte ich, und Keen grunzte. Bevor sie mich aufhalten konnte, huschte ich hinüber zu dem Koffer und krabbelte hinein, um nach irgendwelchen Überresten meines alten Lebens zu tasten, irgendeinem Hinweis auf die letzten vier Jahre. Da es keine Fenster gab, war es hier nicht sehr hell, und trotz meiner exzellenten Nachtsicht konnte ich nicht viel erkennen. Ich hatte schon fast aufgegeben, als meine Krallen in der Stoffverkleidung hängen blieben und sie aufrissen. Ich tastete zwischen der zerrissenen Seide und dem Leder herum, bis etwas Kühles über meine Fingerspitzen schrammte.
    Ich zog meine Beute heraus und seufzte – ob aus Zufriedenheit oder Betrübnis, wusste ich nicht so recht. In meiner Hand befand sich das Collier, das ich an jenem Tag am Fischteich getragen hatte, jenem Tag, der meiner Erinnerung nach der Tag meiner Entführung sein musste. Weiße Diamanten und blaue Saphire blinkten in dem Schmuckstück, das mir das

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