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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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Sonnenuntergang. Ihre Augen waren schwarz, und ich hätte schwören können, dass ihre Wimpern irgendwie mit Federn beklebt waren und dadurch so lang wie Finger wirkten. Eine Daimonin. Bisher hatte ich Daimonen nur in Büchern oder auf Gemälden gesehen.
    Ich wusste, dass ich sie anstarrte, und ich wusste auch, dass das unhöflich war. Also zwang ich mich, den Blick zu senken.
    »Vergeben Sie mir, Madam. Ich befand mich lange Zeit in völliger Abgeschiedenheit und habe mich vergessen.«
    So höflich war ich, seit ich in London war, noch nie gewesen. Hauptsächlich lag das daran, dass ich an der stolzen Haltung dieser seltsamen Dame ein Gefühl der Gemeinsamkeit wahrnahm. Wenn sie dort, wo sie herkam, keine königliche Person war, dann zumindest etwas sehr Ähnliches.
    »Isch verstehe, wie es ist, allein unter die Barbaren zu sein«, antwortete sie mit einem koketten Lächeln. »Und isch möschte mein Beileid aussprechen für der Verlust von deine ’aar. Isch weiß von die Flugblatt, dass es sehr schön war.«
    Meine Hand fuhr an den abscheulichen Hut. Ich nahm ihn ab und ließ ihn direkt auf Tommy Pains Kopf fallen. Er schüttelte ihn ab und funkelte mich mit seinem leuchtend grünen Auge an. Ich musste beinahe lächeln.
    »Isch bin Madamoiselle Beaureve, doch ’ier nennt misch jeder Reve. Wenn du erlaubst, isch werde dir ’elfen zu baden und mit eine Verkleidung, damit du unge’indert reisen kannst. Der Preis, wie du weißt, ist deine ’aar. Akzeptierst du diese Arrangement?«
    Keen überreichte ihr die Tasche, und Reve öffnete sie mit einem Blick voller Ehrfurcht. Ihre Haut erschauerte in federigen Mustern in Violett und Indigo.
    »Es ist sehr schön. Es wird mir eine Freude sein, mit so schöne ’aar zu arbeiten.«
    »Was werden Sie damit machen?«, fragte ich.
    »Wahrlich, das willst du nicht wissen, princesse .«
    »Es gibt so einige kranke Bastarde in dieser Stadt«, brummelte Keen kaum hörbar. Der Bitterkeit in ihrem Tonfall nach zu urteilen, war sie vielleicht doch älter, als sie aussah.
    »Wie es scheint, habe ich keine andere Wahl, als zu akzeptieren.«
    Mein Blick begegnete dem von Casper. Ich konnte nicht deuten, was ich dort sah, eine Mischung aus wilder Entschlossenheit und Kapitulation, wie ein Mann, der in die Dunkelheit gesaugt wird und den Sog willkommen heißt. Er schloss die Augen, als hätte er Schmerzen, und ging ohne ein Wort zur Tür hinaus.
    Mit einem letzten Tätscheln legte Reve das Haarbündel ehrfürchtig auf einen Arbeitstisch. Ich versuchte mir einzureden, dass mein Haar nachwachsen würde und dass es eines Tages seine frühere Schönheit wiedergewinnen und sogar noch übertreffen würde, aber es fiel mir schwer, daran zu glauben.
    Die Daimonin ging um mich herum, und ihr langer Schwanz schlängelte sich hinter ihr her, als sie an meinen Ärmeln zupfte, den Stoff meines Rockes befühlte und meinen Kopf mit einem warmen, magentafarbenen Finger anhob.
    »Das wird ein Spaß«, flüsterte sie.
    Sie komplimentierte mich durch eine weitere Tür. Bald war ich allein und ließ mich in einer Kupferbadewanne von Wasser einweichen, das so heiß aus den Dampfleitungen kam, dass es meine Haut beinahe zum Kochen brachte. Nachdem ich erst meine angeborene Angst vor Wasser überwunden und eingesehen hatte, dass die lieblich duftenden Seifenblasen kein bisschen Salz enthielten, konnte ich mich endlich entspannen. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie schmutzig und verspannt ich war. Die Badewanne, ganz eindeutig für Reve gebaut, ließ meine zierliche Gestalt zwergenhaft erscheinen, und ich streckte mich voller Entzücken aus. Im Arbeitsraum würde die Daimonin derweil die Goldfäden aus meinem alten Kleid zupfen und es dann verbrennen oder vielleicht auch Lumpenröcke für die weniger wählerischen Huren daraus machen. So war es nun also vollbracht. Ich war bereit für das nächste Kapitel meines Lebens.
    Das Wasser war bald trübe vom Schmutz der Jahre, und es fühlte sich köstlich an, mein kurzes Haar zu schrubben und das Wasser über meinen Kopf laufen zu lassen. Als ich, in einen knappen Bademantel aus Baumwolle gehüllt, das dampfende Badezimmer verließ, freute ich mich beinahe auf die Reise, die vor mir lag. Ich war noch nie zuvor auf Reisen gegangen, und auch wenn mein wichtigster Begleiter ein unangenehmer Rohling wie Casper war, so war ich doch wenigstens nicht halb ausgeblutet in einem Reisekoffer unterwegs.
    Reve wartete in ihrem Arbeitszimmer auf mich, umgeben von haufenweise Stoff

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