Von der Liebe verschlungen
den Flur entlang, bereits fixiert auf seine nächste Mission. Ich nutzte die seltene Gelegenheit, um seine Kehrseite in den engen Hosen zu bewundern und die Art, wie sein kupferfarbenes Haar hinter ihm herwehte, beleuchtet von den orangefarbenen Lampen. Er war wirklich ein körperlich ausgezeichnetes Exemplar, was auch immer er war. Was jedoch wirklich meine Aufmerksamkeit erregt hatte, war der Ausdruck in seinen Augen und die Bestimmtheit in seinen Schritten. Es ging ihm nicht nur darum, das Geschöpf zu beschützen, mit dem er einen Handel abgeschlossen hatte – er hatte wirklich Angst um mich. Um mich, das Raubtier, das gelobt hatte, seinen Kopf auf einen Pfahl zu stecken. Und der einzige Grund, weswegen er bereit war, mich allein zu lassen, war der, einem vorlauten Mädchen zu Hilfe zu kommen, das ihm erst kürzlich vorgeworfen hatte, er würde sich zu sehr wie ihr Vater benehmen. Ganz gleich, was Caspers scharfe Worte gewesen sein mochten, er sorgte sich aufrichtig um uns. Ich war verärgert – doch zugleich merkwürdig gerührt.
Ich drehte mich um und schlich den langen Flur entlang und nahm mir dabei die Zeit, die Schilder an jeder Tür zu lesen. Das Lederzimmer. Das Brokatzimmer. Das Seidenzimmer. Das Damastzimmer. Alles Stoffe, und zwar von der luxuriösen Sorte. Ich fragte mich, ob jedes Mädchen sein eigenes Zimmer hatte, oder ob es jedem beliebigen der wohlhabenden Passagiere ausgeliefert war, der es herbeiwinkte. Und wer hätte normalerweise unser Zimmer genutzt, das Samtzimmer?
Ich war so interessiert an meiner Umgebung, dass ich den Mann, der in den Schatten wartete, erst bemerkte, als er nahe genug war, um über meine Wange zu streicheln.
»Hast du dich verlaufen, kleiner Schneevogel?«
Es brauchte jedes Quäntchen meiner Selbstbeherrschung, um nicht zu fauchen, meine bebenden Hände zu Klauen zu krümmen und sie in seine Haut zu schlagen. Stattdessen trat ich einen Schritt zurück und hielt meine Hände in einer flehenden Geste vor mich, die ich bei verängstigten Dienstmädchen gesehen hatte, wenn meine Mutter einen Tobsuchtsanfall hatte. Ich blinzelte, riss meine Augen weit auf und lächelte ihn einfältig an.
Mein unmittelbarer Eindruck war der eines Hermelins im Sommer, klein, dunkel und flink. Doch sein Lächeln war auf etwas Fleischlicheres als eine Mahlzeit aus, und seine scharfen Zähne glichen meinen eigenen. Ein Bludmann – doch aus irgendeinem Grund konnte ich seinen Geruch nicht wahrnehmen, und das machte mir sogar noch mehr Angst.
»Bitte, guter Herr. Ich bin nur eine Magd und Passagierin hier, nicht eine der … keine …« Ich stolperte über das Wort. Wie sollte ein Mädchen eine Hure benennen, wenn es nicht wusste, was eine Hure war?
»Keine Schöne der Nacht?« Sein Kichern war spöttisch, aber hinter den Worten konnte ich einen Akzent hören. Ich sah ihn mir genauer an.
Anders als die anderen Männer auf dem Schiff, trug er keine Kleidung, die Status und Reichtum zeigte. Abgesehen von seinen Augen, die so hell waren, dass sie beinahe weiß aussahen, war alles an ihm dunkel, bis hin zu dem Leder, in dem sich seine Waffen befanden, und dem Kajal um seine Augen. Er schien ganz und gar nicht hierher zu gehören, und das ließ mir einen ungewohnten Schauer der Furcht über den Rücken laufen.
»Ah, aber du bist eine andere Art von Schönheit, und es ist Nacht, und wir sind allein. Und ich denke, du wirst jetzt auch nicht schreien.«
Ein Finger in einem schwarzen Handschuh bewegte sich auf mein Gesicht zu, und ich schürzte die Lippen, um mich davon abzuhalten, ihn zu beißen. In mir tobte ein Sturm der Gefühle. Meine natürlichen Instinkte, ihn zu verstümmeln, zu töten und von ihm zu trinken, wüteten gegen meine Selbstbeherrschung, mit jedem Schlag meines hungrigen Herzens gegen das enge Lederkorsett. Und mein tief verwurzeltes Verhalten, die Prinzessin in mir, war beleidigt, dass dieser Mann es wagen würde, mich anzufassen und mir hübsche Lügen zu erzählen, als würde er einem unschuldigen Pinkiekind Süßigkeiten anbieten.
Ich begann, die tiefsitzende Angst von Beutewesen zu begreifen. Dieser Mann war kein sanfter Herzog oder ein alternder Baron. Er gehörte nicht auf die Maybuck , und das bedeutete, dass niemand wusste, dass er hier war. Würde es auch nur annähernd ein fairer Kampf? Er war bis an die Zähne bewaffnet, und mich behinderten Leder, Segeltuch und Schnüre. Selbst wenn es mir gelang, ihn zu töten, würde ich mich damit als Bludfrau zu erkennen
Weitere Kostenlose Bücher