Von der Liebe verschlungen
Erbfolge fest in einer Tasche meines Kleides umklammert.
»Sind es … mitfühlende Pläne?« Er warf einen Blick auf Keen und zog eine Augenbraue hoch. »Denn Frostland ist kein Land des Mitgefühls.«
So schnell, dass nicht mal er reagieren konnte, schlug ich Mikhail hart ins Gesicht, meine Finger leicht gekrümmt. Er hielt absolut still, ohne zusammenzuzucken, trotz der genau parallelen Schnitte, die ich auf seiner Wange hinterlassen hatte. Meine Mutter hatte mich einmal ebenso geschlagen, und ich hatte die Schande des Schlages eine Woche lang im Gesicht getragen, bevor man mir gestattete, so viel Blut zu trinken, dass die Spuren gänzlich verheilten.
»Es ist nicht an Euch, zu entscheiden, was Frostland sein wird, kleiner Halbbaron«, sagte ich auf Sanguin, und die Worte fielen so schwer wie Eiszapfen von meinen kalten Lippen. Ich konnte den scharfen und süßen Biss des Winterwindes in jedem einzelnen Wort hören, und auch Mikhail musste es gefühlt haben. Er fiel vor mir auf die Knie und küsste den Saum meines Kleides, eine Demonstration der Unterwürfigkeit, die meine Mutter immer genossen hatte; ich allerdings hatte mich dabei immer innerlich gekrümmt.
»Euer Wort, mein Leben«, flüsterte er, das traditionelle Gelöbnis der Lehnstreue, aber es fühlte sich nicht so an, als sei er mit ganzem Herzen dabei.
Dann stand er auf und musterte Keen mit unpersönlicher Neugier.
»Wie ertragt Ihr das, meine Königin? Gefangen in diesem engen Quartier mit so zarter Beute. Sie duftet so rein wie der erste Schnee. Eine Delikatesse. Habt Ihr sie gekostet?«
Mein Magen, so schwer mit Blut, rebellierte bei dem Gedanken, Keen zu verletzen, nach allem, was wir zusammen auf der Maybuck durchgestanden hatten.
»Sie ist meine Dienerin. Ich verbiete Euch, sie anzurühren.«
»So exotisch«, murmelte er und schnupperte. »Ich würde sie nicht verletzen. Es ist ja nur eine Kostprobe. Ich würde sagen, Ihr schuldet mir etwas, oder nicht?« Damit warf er einen bedeutsamen Blick auf den ungeschlachten Leichnam von Big Gar.
»Ich schulde Euch etwas?« Ich spürte, wie der Zorn in mir aufstieg und die Bestie und die Prinzessin in mir sein Blud forderten. Doch dann hörte ich die Stimme meiner Mutter im Gedächtnis, die mich daran erinnerte, dass die beste Form der Bestrafung darin bestand, einen Feind in ein Werkzeug zu verwandeln. »Nun gut. Erlaubt mir, Euch meine Schuld zu vergelten.« Ich griff nach dem Ring der Thronfolge und schob ihn an den richtigen Finger. Als Mikhails Blick darauf fiel, leuchtete der Eifer in seinen Augen wieder auf, denn der Ring besaß eine gewisse Magie, selbst für jene, die seine Legende nicht kannten. »Ihr wollt eine wahre Herrscherin? Gebt mir Euer Handgelenk.«
Er streckte denselben Arm aus, den er mir vorher gezeigt hatte, mit Ravennas Brandmal darauf. Mit einer Hand packte ich sein Handgelenk, mit der anderen presste ich den Ring fest auf Ravennas Mal, und Mikhail stieß zischend die Luft aus, als eine Wolke kalten Dampfes von seiner Haut aufstieg.
»Das ist das Wappen der Zarina. Damit seid Ihr mein Gefolgsmann.«
Ich nahm den Ring wieder weg, und mein erster Untertan betrachtete sein neues Siegel. Dunkelrote Flecken markierten den großen Edelstein in der Mitte und die Krone aus Topasen darum. Ravennas Brandmal dagegen war verschwunden.
Mikhails Augen glänzten vor Respekt und Ehrfurcht, ein angemessenes und natürliches Ergebnis der Zeremonie.
»Dann ist es also wahr«, flüsterte er, und ich nickte feierlich.
»Nun seid Ihr ein Ritter der Krone. Hintergeht mich, und Ihr besiegelt Euren eigenen Tod. Doch wisset, dass ich Frostland mit dem ersten Schneefall zurückerobere.«
»Euer Wort, mein Leben – meine Königin«, wiederholte er, diesmal sicherer. »Ich stehe zu Eurer Verfügung.«
Ich lächelte, kalt und selbstsicher. »Das habt Ihr immer getan.«
»Was kommt als Erstes?«
»Bringt mich von diesem Schiff weg. Ich darf nicht entdeckt werden. Wo ist Casper?«
Mikhail zuckte mit den Schultern und zeigte ein schiefes Lächeln. »Er verspätet sich.«
Ich starrte ihn an, schweigend und unbewegt, bis er den Kopf neigte und sagte: »Also beginnt es damit. Ich werde ihn für Euch finden oder bei dem Versuch sterben.«
Noch bevor ich darauf antworten konnte, schlüpfte er zur Tür hinaus. Dass er meine Herrschaft so schnell akzeptierte, war befriedigend, aber auch befremdlich. So langsam wurde mir die enorme Tragweite des Vorhabens, Ravenna die Herrschaft über mein Land zu
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