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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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meiner Schulter. Irgendwo in meiner Kehle regte sich Hunger, aber ich hatte noch immer so viel Piratenblut im Magen, dass es mich nicht in Blutrausch versetzte, ihr so nahe zu sein.
    »Ist das denn wirklich notwendig?« Mit jedem Wort meiner Frage inhalierte ich einen Atemzug von Keens jungem unschuldigem Aroma und dazu Caspers Duft, männlich und mit Schweiß gewürzt.
    »Im Ernst«, meinte Keen, und ihre Stimme klang gedämpft durch meine Schulter. »Sie riecht wie glühende Pennymünzen.«
    »Wenn wir im Wald getrennt werden, dann werdet ihr mir zustimmen, dass das hier ziemlich notwendig ist«, meinte er.
    Einen Augenblick lang standen wir einfach da, atmeten die frische Luft ein und fühlten den Sog der leichten Brise. Es war früher Morgen, und die Wolken hatten die Farbe von schwachem Purpur mit roten Rändern. Wenigstens regnete es nicht.
    »Auf drei?«, fragte Casper.
    »Was?«
    Doch da hatte er sich schon rücklings aus dem runden Fenster gelehnt, seine Arme wie ein Schutzschild um uns geschlungen, und trug uns mit sich in die Leere des Himmels. Ich öffnete den Mund, um zu schreien, als wir fielen, schwerelos, doch Caspers Hand legte sich auf meinen Mund und erstickte den Schrei. Alles ging viel zu schnell, und gleichzeitig unendlich langsam, während der Wind um uns herum brauste. Oben und unten hatte keine Bedeutung mehr, und mein Herz hämmerte gegen mein Korsett. Ich kämpfte darum, das Blut in meinem Magen zu behalten, und den Schrei und meine Tränen zu unterdrücken. Wir drehten uns, und ich erhaschte einen kurzen Blick auf das Luftschiff, in dessen Bronzeballon sich die Morgensonne widerspiegelte und mich blendete. Die Frau, die sich an der Gondel räkelte, und die ich nun als ein geschöntes Porträt von Miss May erkannte, schien mir kopfüber zuzuzwinkern. Und dann lachte Casper, und trotz meines Entsetzens, meiner Angst und vollkommenen Verwirrung gelang es mir, ihn finster anzusehen. Sein Gesicht bot mir einen Punkt, auf den ich mich konzentrieren konnte, im Gegensatz zu der Leere des Himmels. Zu meiner Verblüffung las ich in seinen Augen manische Freude und Staunen.
    »Juuuuuuuuhuuuuu!«, schrie er und warf die Arme in die Luft. Einen Augenblick später machte Keen es ihm nach.
    »Sollten wir nicht die Schnur ziehen und damit verhindern, dass wir sterben?«, schrie ich.
    »Halt dich fest, Baby! Jetzt wird es holprig!«
    Ich klammerte mich mit einer Hand an seine Jacke, drückte meinen Kopf gegen seine Brust und versuchte, mich auf etwas einzustellen, worauf man sich nicht wirklich einstellen kann.
    »Eins … zwei … drei!«
    Ich zog meine Schnur und biss mir beinahe die Zunge ab, als unsere Körper gegen die eng anliegenden Riemen des Fallschirms ruckten. Als ich mich traute, meinen Kopf von seiner Brust zu heben und aufzusehen, sah ich zwei weiße Kissen, die sich vor den violetten Wolken aufbauschten.
    »Casper! Er ist nicht aufgegangen! Meiner ist nicht aufgegangen!«
    Keen zog panisch an der Schnur, aber ihr Bündel wollte sich nicht öffnen. Zwar waren wir schon erheblich langsamer geworden, doch es fühlte sich an, als würden wir immer noch zu schnell fallen. Mit einem unheilverkündenden Laut gab das Seidentau, das uns zusammenhielt, ein paar Zentimeter nach, und Keen packte in Todesangst Caspers Mantel und meinen Ärmel.
    Casper sah nach unten, und sein Gesicht wurde kreidebleich. »Halt dich einfach fest, Mädchen«, sagte er. »Keen, schau mich an. Halt dich fest. Du schaffst das. Du hast schon Schlimmeres überstanden. Wir kommen da durch.«
    Das Seil gab wieder ein ächzendes Geräusch von sich, als noch ein paar Zentimeter aus Caspers sorgfältigem Knoten rutschten. Keen schrie auf und krallte sich an uns fest, als könnte sie über unsere Körper nach oben an einen sichereren Ort klettern. Casper schlang beide Arme um ihre Taille und hielt sie mit sichtbarer Anstrengung fest. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen.
    Ich schaute nach unten. Ein Meer aus dunkelgrünen Bäumen kam uns rasend schnell entgegen. Aus den Kiefern unter uns flatterte ein Schwarm Krähen auf und einzelne Federn stoben in die Luft. Eine schwebte an meinem Gesicht vorbei, und ich griff voll Staunen danach, doch wir fielen zu schnell, und ich wusste es.
    »Ahna!«
    Ich sah auf, als die Dringlichkeit in Caspers Stimme mich aus meiner Träumerei riss.
    »Du hältst den meisten Schaden aus. Kannst du unseren Sturz irgendwie abbremsen? Ich muss Keen festhalten.«
    Seine Worte drangen an meinem Ohr vorbei und

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