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Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Titel: Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Heinzen
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Dann würden sie zusammen die Fische ins Eis legen, und Jorgos würde einen Raki trinken. Und obwohl Sofia in wenigen Stunden wieder in die Küche müsste, würde sie aufbleiben, um sicher zu sein, dass es bei einem Raki bliebe.
    »Ich trinke noch einen Raki«, erklärte Jorgos, als ich ihn fragte, ob es nicht zu früh sei zum Telefonieren.
    Jorgos hatte ein paar Jahre in Stuttgart bei Mercedes gearbeitet und spricht fließend Deutsch.
    »Du wirst doch am 20. August 50, Thomas?«
    »Ja, warum?«
    »Es gibt da eine Anfrage. Eine Hochzeit, kleine Gesellschaft, nur 100 Leute. Ist auch am 20. August. Wäre das ein Problem?«
    »Nein.«
    »Nein?« Jorgos spürte sofort, dass etwas im Busch war.
    »Ich wollte dich schon anrufen«, trat ich die Flucht nach vorn an, was nicht stimmte. Insgeheim hatte ich gehofft, dass Martina wieder zurückkommen würde, dann würden auch die Kinder ihr Kommunikations-Embargo beenden, mit dem sie mich für meinen Seitensprung bestraften, und wir würden
alle zusammen wie geplant auf Kreta meinen 50. Geburtstag feiern. Aber inzwischen war mir klar, dass daraus nichts würde, weshalb ich meine Tischreservierung bei Jorgos cancelte.
    »Deine Party fällt aus?« fragte Jorgos besorgt. »Warum?«
    »Mir ist nicht danach.«
    Jorgos lachte. »Wem ist schon danach, älter zu werden. Aber dagegen kannst du nichts machen. Da ist es das Beste, mit der Familie zu essen, zu trinken und zu …«
    »Ich habe keine Familie mehr«, unterbrach ich Jorgos.
    Einen Moment war es so still, dass ich im Telefon das Libysche Meer rauschen hören konnte.
    »Martina ist ausgezogen.«
    »Warum?«
    »Ich hatte was mit einer Praktikantin.«
    Jorgos lachte erleichtert. »Hast du mir einen Schreck eingejagt. Ich dachte schon, ihr hattet einen Autounfall und du hast als Einziger überlebt. Sieht sie gut aus?«
    »Wer?«
    »Die Praktikantin.«
    »Bitte, Jorgos, das ist nicht der richtige Zeitpunkt für Scherze.«
    »Wie hat Martina es erfahren?«
    »Ich habe es ihr gesagt.«
    »Warum?«
    Auch wenn Jorgos genauso ein romantischer Linker war wie ich und genauso alt – die kulturelle Kluft, die sich gerade zwischen uns auftat, hätte nicht größer sein können.
    »Ihr Deutschen seid immer so korrekt.«
    »Korrekt, Jorgos? Hier geht es nicht darum, dass ich das Finanzamt betrogen habe, sondern meine Frau.«
    »Wo ist der Unterschied?«
    »Wir sind seit 26 Jahren zusammen.«
    »Sofia und ich sind über 30 Jahre zusammen, trotzdem …« Jorgos schenkte sich den Rest des Satzes, aber ich konnte mir denken, was er mir sagen wollte.
    »Wie auch immer, ich habe jetzt niemanden mehr, mit
dem ich meinen 50. Geburtstag feiern könnte. Martina ist ausgezogen, David und Nina reden nicht mehr mit mir.«
    »Archidi malaka!« fluchte Jorgos. »Warum bringst du sie nicht mit?«
    »Wen?«
    »Deine Praktikantin.«
    »Sie könnte meine Tochter sein!«
    »Umso besser. Wenn man schon seine Frau betrügt, warum sollte man sich verschlechtern?«
    »Wann wirst du eigentlich 50?« versuchte ich dem Gespräch eine sachliche Richtung zu geben.
    »Am 12. Oktober.«
    »Machst du eine Party?«
    Es entstand eine Pause, und ich konnte die Schritte von Jorgos hören, wie er die Tür schloss, damit Sofia nicht zuhörte.
    »Natürlich mache ich eine Party. Ich mache sogar zwei Partys, eine mit meiner Familie und eine mit meiner ›Praktikantin‹. Kommst du vorbei?«
    »Ich weiß nicht, was bis dahin noch alles passiert. Bin irgendwie total durcheinander.«
    »Du solltest eine Therapie machen«, schlug Jorgos vor. »Martina ist doch Therapeutin.«
    »Ich soll mich bei meiner Frau auf die Couch legen?«
    »So sparst du die Arztrechnung.« Jorgos lachte, und ich musste jetzt auch lachen.
    »Du verstehst es, einen aufzumuntern, Jorgos!« bedankte ich mich und legte den Hörer auf, während ich dachte, wir hätten Griechenland niemals in die EU aufnehmen dürfen.
    Bevor ich endlich ins Bett stieg, stornierte ich die vier Kreta-Flüge und checkte meine Mails. Der Server meldete Verstopfung: Über 200 Leute hatten mir geschrieben – ich schien einen Nerv getroffen zu haben.

6
    Wenn es nach mir ginge, würden alle Leute an ihrem 5 0 . Geburtstag eingeschläfert. Statt immer mehr für die Pflege von unnützen Essern auszugeben, sollten wir das Geld in die Bildung unseres Nachwuchses investieren. Aber weil die Alten den Hals nicht voll kriegen, dürfen wir irgendwann den Indern die Swimming pools saubermachen.
     
    Ehrlich gesagt hatte ich mir Meinungsfreiheit immer

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