Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden
deinen Film, Papa! Warum hast du nichts gesagt? Ich bin total stolz auf dich. Auch Holger, ich geb ihn dir mal.« Nina gab den Hörer an Holger weiter, der gerade einen Lachanfall hatte, sodass es einen Moment dauerte, bis er sprechen konnte. »Echt super, dein Film, ha, ha … vor allem die witzigen, jugendlichen Dialoge.«
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Warum bringen wir uns an dem verdammten Tag nicht zusammen um?! Ich werde am 20. August auch 50. Anbei ein Foto von der Autobahnbrücke, von der ich mich hinunterstürzen werde. Aber wenn du eine bessere Idee hast – bin da ganz schmerzfrei.
Ich hatte meine Anfrage, die meiner trüben Stimmung und einer Flasche Rioja geschuldet war, noch nicht ganz auf Facebook gepostet, da hagelte es schon Reaktionen.
Wir bieten attraktive All-Inclusive-Pakete mit Band, Büfett und Redner. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern. Und sollten Sie keine Freunde haben, die Sie zu Ihrem 50. Geburtstag einladen können, besorgen wir welche.
»Misanthrop« schrieb: Sei doch froh, dass du es bald hinter dir hast. Was wir für das Leben halten, ist nur die Matrix.
Weitere Zuschriften rieten mir, von nun an jeden Tag so zu leben, als sei dieser der letzte, wozu es keiner Aufforderung bedurfte. Seitdem mein 50. Geburtstag immer näher rückte, kam ich mir vor wie ein Mann in der Todeszelle, dessen Gnadengesuch abgelehnt worden war.
»Towanda« schlug vor: Ich verwöhne dich mit meinem Luxuskörper, bis du dich wieder wie zwanzig fühlst!
Aber es gab auch ein paar ernsthafte Reaktionen. »Snoopdog« schrieb: Warum lädst du an deinem 50. Geburtstag nicht all die Leute ein, mit denen du dich zerstritten hast, und versöhnst dich wieder mit ihnen?
Das war leichter gesagt als getan – alle Leute einzuladen, mit denen ich mich zerstritten hatte. Da hätte ich ein Oktoberfestzelt reservieren können. Ein wirklich guter Rat kam von »Michael«.
Warum besuchst du nicht mal ein paar 50. Geburtstage? Zu denen wirst du in der letzten Zeit bestimmt häufiger eingeladen, weil die meisten Freunde aus derselben Generation stammen. Dort guckst du, wie die anderen das so machen.
Recherche! Warum war ich nicht selbst darauf gekommen? Ich bin Drehbuchautor. Was hielt mich – der ich für eine TV-Serie über ein Beerdigungsinstitut eine Nacht lang in einem Sarg zugebracht hatte – davon ab, auf einen 50. Geburtstag zu gehen, solange es nicht mein eigener war?
Ich hatte tatsächlich in der letzten Zeit Einladungen zu 50. Geburtstagen bekommen, war aber nicht hingegangen, weil ich keine Lust hatte, Leute zu treffen, die ich schon nicht ausstehen konnte, als sie noch jung waren. Auch war ich nicht bereit, wie in den Einladungen verlangt, mir einen Vers auszudenken, der sich auf »mit 50 fängt das Leben erst an« reimte. Oder in einem ganz bestimmten Reisebüro auf der Leopoldstraße, wo es nie Parkplätze gab, einen mir freigestellten Betrag auf das Sonderkonto Manni wird 50 einzuzahlen, damit besagter Manfred zum Reunion-Konzert von The Police nach London fliegen konnte. Wolfgang wiederum lud uns alle nach Salvador de Bahia ein, um dort seinen 50. Geburtstag zu feiern. Für den Flug nach Brasilien müssten wir selbst aufkommen, Unterkunft und Verpflegung – für eine Nacht – würde er natürlich übernehmen. Hans, der mit mir Germanistik studiert hat und immer noch mittags in die Mensa geht, schickte eine lange Liste, auf der wir ankreuzen sollten, welchen Beitrag wir zu seiner Geburtstagsparty leisten würden. Diese Liste begann mit A wie Anlage, gefolgt von B wie Begrüßungscocktail, C wie Catering und endete mit Z wie Zahnstocher. Auf der Liste stand bereits ein Kreuz unter L wie Laudatio. Das hatte Hans gemacht – er würde seine eigene Lobrede halten.
Bei Rolf konnte ich mir dagegen sicher sein, dass er nicht die Gäste zur Kasse bitten würde, damit die seine Party bezahlten. Deshalb beschloss ich, meine Recherche mit Rolf zu beginnen.
Rolf ist Artdirector, und so plante er seinen 50. Geburtstag wie eine Werbekampagne: Bereits sechs Monate vor dem Ereignis bekam ich unter dem Betreff Save the Date eine digitale Einladung. Eine freundliche Erinnerung drei Monate später war verbunden mit der Bitte um ein »Testimonial« über Rolf – nicht länger als drei Zeilen und nicht als PDF-Datei, damit man noch »Gestaltungsoptionen« hätte. Die heiße Phase begann einen Monat vor Rolfs 50. Geburtstag mit der Zusendung der offiziellen Einladung und seinem Wunsch, den für Geschenke
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