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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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völlig neues Antlitz bekommen. Wie in einem Fahrstuhl ist dieses Land aus dem Mittelalter in die Gegenwart gerauscht. Und nichts erinnert heute mehr an die finsteren Jahre früherer Schreckensherrschaft. Entbehrungen und Not sind vergessen. Stattdessen ist ein islamischer Musterstaat entstanden, der sich westlichen Einflüssen geöffnet hat, ohne seine traditionelle Eigenständigkeit zu verlieren.
    Nach einigen Tagen in Maskat fuhr ich in den Osten des Oman. Ein überaus freundlicher und redseliger Omani chauffierte mich im Geländewagen in die Region Sharqiyah, wo sich die Wahiba Sands erstrecken. Ein Meer aus Sand, in dem sich Kämme und Täler wie auf einem Ozean gestalteten. Dazwischen ein paar breite, ebene Flächen und Wadiläufe mit mehlfeinen Sandpisten, die in Nord-Süd-Richtung verlaufen und mir den Weg durch die Wahiba Sands wiesen.
    Für die arabischen Beduinen ist diese Wüste das Land der Dschinns, der Geister, die hier nachts zwischen den Sandbergen umherirren und ihre geheimnisvollen Lieder singen. Seit jeher soll die Heimat der Dschinns in dieser Bilderbuchwüste liegen, die auch als »Feuchtluftwüste« gilt. Denn neben traumhaften Sandmeeren gibt es hier einen einzigartigen Pflanzen- und Tierreichtum, der sich durch die Nähe zum Arabischen Meer entfalten konnte. Ozeanische Luftfeuchtigkeit, die sich als Morgentau auf dem Wüstenland niederschlägt, sorgt in einigen Teilen der Wahiba Sands für eine weltweit einmalige Vielfalt von Flora und Fauna: Hier gibt es nicht nur 16 000 wirbellose Tiere, sondern auch 200 Arten von Säugetieren, Reptilien und Vögeln – sowie 180 verschiedene Pflanzenarten.
    Im Geländewagen fuhr ich am Nordrand der Wahiba Sands entlang und besuchte einige Oasen: Al Qabil, Al Mintirib, Bidiyah und Al Hawaiyah. Orte mit schlichten, meist weißgetünchten Häusern, deren Fassaden arabische Ornamente zierten. Oasenstädte mit riesigen Palmenhainen, Bananenstauden, Gemüsegärten und manchmal einem kleinen Fort.
    Einen Tag vor meinem Aufbruch in die Geisterwüste des Sultanats Oman machte ich es mir am Nachmittag auf einem Sandhügel in Al Hawaiyah bequem, wie sich auch Wilfried Thesiger vor mehr als 70 Jahren friedlich in die Sonne legte, nachdem er den Gipfel einer Düne erklommen hatte. Damals schrieb er über die arabische Gastfreundschaft: Das Bedürfnis allein zu sein, wird der Bedu niemals verstehen und immer mit Misstrauen vermerken. Engländer haben mich häufig gefragt, ob ich mich denn in der Wüste niemals einsam gefühlt habe. In all den Jahren, die ich dort verbracht habe, bin ich wohl immer nur sehr kurze Zeit allein gewesen. Die schlimmste Form der Einsamkeit ist die Verlorenheit inmitten einer Menschenmenge. Ich habe mich in der Schule einsam gefühlt und in europäischen Städten, wo ich niemanden kannte. Aber unter den Arabern war ich niemals einsam. In Städten, wo mich niemand kannte, ging ich einfach in den Basar und begann ein Gespräch mit einem Händler. Er lud mich ein, in seiner Bude Platz zu nehmen, und ließ Tee kommen. Andere Leute gesellten sich zu uns. Man fragte mich, wer ich sei, woher ich komme, und stellte unzählige andere Fragen, die wir einem Fremden niemals stellen würden. Und dann sagte einer: »Komm, iss mit mir zu Mittag.« Beim Essen traf ich dann weitere Araber, und einer von ihnen lud mich zum Abendessen ein. Ich habe mich oft traurig gefragt, was sich wohl ein Araber denkt, der England bereist. Ich hoffe, er hat begriffen, dass wir untereinander ebenso unfreundlich sind, wie wir ihm gegenüber unfreundlich erscheinen müssen.
    Einmal mehr war ich von diesen Zeilen tief berührt. Und so blätterte ich noch etwas weiter in dem Reisebericht Thesigers, las über seine Reise durch die Wahiba Sands: Wir ritten vier der schönsten Kamele Arabiens und konnten, wenn es sich als nötig erwies, schnell reisen und große Strecken zurücklegen. Zunächst überquerten wir eine Kiesebene, auf der fleckenweise rötlicher Sand lag und die von kleinen Kalksteintafeln unterbrochen wurde, wo wir viele scheue Gazellen sahen. Allmählich nahm der Sand überhand, bis er den Kalksteinboden schließlich völlig bedeckte. Am zweiten Tag erreichten wir den etwa zweieinhalb Meter tiefen Brunnen von Tawi Harian, wo wir einige Wahiba trafen, die Esel, aber keine Kamele bei sich hatten. Sobald wir Wasser gefasst hatten, zogen wir weiter, da wir überflüssigen Fragen aus dem Weg gehen wollten. Nun ritten wir nordwärts durch Talungen, die einen Kilometer

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