Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
schon der berühmte Weltreisende Marco Polo (1254–1324) lobte, als er über die im Süden des Oman liegende Hafenstadt Al-Baleed schrieb: Es ist eine großartige und schöne Stadt mit einem sehr guten Hafen, in dem es äußerst geschäftig zugeht … Die Kaufleute machen enormen Profit, indem sie mit arabischen Pferden handeln … und viel heller Weihrauch wird hier produziert.
Mit rund 310 000 Quadratkilometern ist der Oman der zweitgrößte Staat auf der Arabischen Halbinsel. Von den etwa drei Millionen Einwohnern ist jeder vierte ein Ausländer. Vor allem Inder oder Pakistani leben hier. Weihrauch machte den alten Oman zu einem reichen Land. Heute ist es das Öl, das schon viele Millionen Petrodollars brachte, wenngleich der Vater des heutigen Sultans früher nur widerwillig Bohrungen zuließ. Zudem wehrte er sich jahrzehntelang gegen jeden westlichen Einfluss. Noch 1970 war das Sultanat Oman eines der rückständigsten und isoliertesten Länder der Erde. In seinem Palast, der sich im Süden des Landes an der Küste von Salalah befand, lebte Sultan Said ibn Taimur mit 170 Frauen und vielen Sklaven, die er gelegentlich wie Pferde vor sein Auto spannte, damit sie das Fahrzeug zogen.
Wie ein Feudalherr herrschte der alte Sultan von 1932 bis 1970 über rund eine Million Menschen. In seinem Reich gab es Sklaverei, Armut und Guerillakrieg. Dörfer wurden bombardiert und Brunnen vergiftet. Nur fünf Prozent der Bevölkerung konnten lesen und schreiben, jedes vierte Kind starb bei der Geburt. Es gab weder Krankenhäuser, Straßen, Schulen noch Banken. Auch Fernsehen, Radio, Fahrräder, Sonnenbrillen sowie das Tragen von westlicher Kleidung oder modernem Schuhwerk waren bei Strafe untersagt. Die Omanis durften nicht einmal im eigenen Land umherreisen. Und wenn eine Freu ein uneheliches Kind zur Welt brachte, wurde sie gesteinigt.
Diesen mittelalterlichen Zustand beendete 1970 der Sohn des despotischen Sultans – Qabus ibn Said Al Said. Überall trifft man auf sein Bild in Maskat, wenn man im Taxi durch die Hauptstadt fährt, vorbei an Palästen, Moscheen und zahllosen Büro- und Wohnhäusern im arabischen Baustil. Sein freundliches Antlitz blickt von Hauswänden, Ladengeschäften und Plakatflächen. Ein absolutistischer, doch weiser und gütiger Herrscher, der mittlerweile die 70 überschritten hat und mit seinen Nachbarländern in Frieden lebt.
Seine Lebensgeschichte klingt wie ein Roman: Als einziger Sohn des Sultans Said ibn Taimur wurde er im November 1940 geboren. Mit sechzehn schickte ihn sein Vater nach England. Dort besuchte er eine Privatschule, studierte Verwaltungswesen, absolvierte eine Ausbildung auf der Königlichen Militärakademie in Sandhurst und diente sechs Monate bei der britischen Rheinarmee in Deutschland. Nach seiner Rückkehr in den Oman lebte er mehrere Jahre in Salalah, wo er sich ausgiebig mit dem Studium des Islam und der Historie seines Landes beschäftigte. 1970 drang er mit einigen englischen Offizieren in die Privatgemächer seines Vaters vor und entmachtete den alten Sultan. Dabei kam es zum Handgemenge. Der Vater schoss sich selbst ins Bein, ehe er widerwillig die Abdankungsurkunde zugunsten seines Sohnes unterschrieb. Anschließend wurde der abgesetzte Despot in ein Flugzeug verfrachtet und nach England in ein Krankenhaus gebracht. Zwei Jahre später starb er im Exil.
Sein Sohn Qabus, der im Palast des Vaters versteckte Gelder in immenser Höhe fand, die der alte Sultan für Erdöllieferungen bekam, hatte indessen die Regierungsgeschäfte im Oman übernommen. Mit seinem unermesslichen Reichtum führte er sein Volk innerhalb von 40 Jahren aus dem Mittelalter ins 20. Jahrhundert. Eine Aufbauleistung ohnegleichen. Es war die schnellste wirtschaftliche Entwicklung und Modernisierung eines Landes, die es je gegeben hat. Qabus ibn Said hob alle unnötigen Bestimmungen und Gesetze auf, schaffte die Sklaverei ab, ließ neue Ölfelder erschließen sowie Straßen, Schulen und eine Universität bauen. Es entstanden Krankenhäuser und Hunderte von Arztpraxen. Zudem garantierte der Sultan jedem Omani kostenlose Gesundheitsvorsorge, schenkte vielen Fischern ein Boot und ein Auto, damit sie ihren Beruf ausüben konnten. Und von allen Studierenden im Land sind bisweilen zwei Drittel Frauen. Diese kleiden sich zwar noch nach alter Tradition in Schwarz, doch nur wenige verbergen ihr Gesicht hinter einer Maske oder einem Schleier.
In gerade mal vier Jahrzehnten hat das Sultanat Oman ein
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