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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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aufschüttet, zerrieselt und zerrinnt. Hier und da schmiegte sich Gesträuch an die Mauern. Die Hautfarbe der Familie schien mir dunkler als im Norden Libyens. Fast negride. Schöne Teppiche lagen auf dem blanken Lehmboden. In einem fensterlosen Raum wurde mir eine Schlafstatt aus Lehmziegeln, kniehoch aufgemauert, zugewiesen. Erstmals seit Tunesien breitete ich meinen Schlafsack wieder auf einer Art Bett aus. Keine Frage: Ich schlief überall gut. In jeder Stellung, weil mein Körper nach Ruhe lechzte. Aber das war nicht das Eigentliche: Ich registrierte im Schlaf immer sofort, was um mich herum geschah. Wenn ein Hund sich anschlich, ein Kamel sich erhob, die Ziegen meckerten. Vor Schlangen brauchte man keine Angst zu haben, hieß es. Die kämen nicht ins Haus.
    Arabische Gastfreundlichkeit ist berühmt. Schon in Tunesien brauchte ich mich um Essen nicht zu kümmern. Stoppte ich in einem Dorf, war ich im Nu von Menschen umgeben und wurde wenig später mit Tee und Essen versorgt. Und in der tiefen Libyschen Wüste war es nicht anders. Stets wurde mir ein Obdach angeboten. Es wurde geteilt, was zu teilen da war. Ich war dort, wo »primitive« Gastlichkeit in Nomadenzelten überdauert hat, willkommen.
    Das war eine mir völlig unbekannte Situation. Doch in Wirklichkeit war alles, was ich erlebte, mir völlig unbekannt. Durch die Wüste reisen hieß, sich den Menschen zu stellen. Und dem Staub. Ich bat um Wasser, ich bat um einen Platz für die Nacht. Doch das Lebenswichtigste war: Die Wüstenbewohner haben mir immer den richtigen Weg gewiesen.
    Weiter? Weiter nach Süden ging es nicht. Auch nicht nach Ghat, meinem ursprünglichen Ziel. Ich glaubte nicht an ein Durchkommen. Nicht mit meinem Rad. Nicht mit meiner verbliebenen Kraft und Lust. Das war mir bei der Ankunft in Ghadames klar. Ab hier sollte die Wüste gen Süden noch sandiger, öd und leer werden. Unmöglich per Rad. Keine Piste, keine Spuren, keine Zeichen. Die Michelinkarte entpuppte sich mehr und mehr als veraltet. Als ich die Einzelteile in Ghadames vorzeigte, schien es mir, dass die meisten Berber, Tuareg oder einfach Araber nie zuvor eine Karte dieser Art gesehen hatten. Als Reaktion hörte ich, dass ich niemals in Ghat ankommen werde. Die Brunnen würde ich entweder nicht finden, oder sie seien zugeweht, ausgetrocknet, schlichtweg nicht mehr vorhanden. Ich würde mich hundertprozentig verfahren. Das war es letztendlich, was mich vom Weiterfahren abhielt: die Angst vorm Verirren.
    Zurück zur Küste, empfahl man mir. Und die Polizei in Ghadames schärfte mir ein, meine Papiere in Tripolis, der Hauptstadt Libyens, unbedingt in Ordnung bringen zu lassen. Die liegt weit entfernt an der Mittelmeerküste. Mir wurde wieder klar, dass ich ohne gültigen Einreisestempel wochenlang in Libyen war. Das hätte einem an der innerdeutschen Grenze nicht passieren können.
    Die Konsequenz war: schnell raus aus der Wüste. Die Misere, in die ich mich hineinmanövriert hatte, musste ein Ende haben. Beim Gang durch die Stadt erfuhr ich, dass englische Ölsucher mit einem Lastwagen auf dem Weg zur Küste waren. Das wäre doch eine gute Mitfahrgelegenheit für mich. Unter einer Zeltplane an der windabgewandten Seite einer bröckligen Lehmmauer trank ich zunächst schwarzen, süßen Tee. An einem kniehohen Tischchen spielten ein paar Männer Karten und tranken ebenfalls Tee. Die schattenspendende Plane flatterte im Wind.
    Ich steckte wahrlich in der Bredouille. Sollte ich auf einem Lastwagen mitfahren? Das wäre der erste Lift auf meiner Reise nach Indien gewesen. Klar, mein Bedarf an Entbehrungen war gedeckt. Und anders würde ich aus der Wüste wohl nicht herauskommen. Also gab ich mir einen Ruck. Die Stadt Tripolis war mir lieber als erneut sengende Glut, endlose Sand- und Schotterstrecken und geplatzte Lippen. Was ich in zwei Wochen an Strecke gemacht hatte, erledigte sich dann hoch oben auf einem alten Lastwagen an einem Tag.
    Tripolis: Der Besuch bei der Immigration war ein Kinderspiel. Keine Fragen, keine Antworten, ich war nun mal da im Königreich Libyen. Ich zahlte ein libysches Pfund fürs Visum und bekam den ersehnten Stempel in meinen grünen Reisepass.
    Wieder mal davongekommen!
    Von der weglosen Wüste hatte ich genug. Täglich kurvte ich nun ostwärts auf der Küstenstraße entlang – auf der linken Seite das Meer, gegenüber die Wüste mit Sand, Stein, Felsen und Grasbüschel. Es gab kaum Verkehr. Mal ein Jeep einer Ölfördergesellschaft, mal ein

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