Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Abendlicht sitzen. Nur dasitzen. Entspannt dasitzen und seinen Kindern zuschauen, wie sie spielten, stritten, sangen.
Die schwarzen Augen der Köchin auf mich gerichtet, fiel mir der Abschied von Port Tawfik schwer. Sehr schwer.
160 Kilometer weiter nördlich, entlang des Kanals, erreichte ich Port Said. Die Stadt der Schiffe. Hier buchte ich eine Schiffskarte (Deckplatz) nach Beirut.
Eine Nachtfahrt übers Meer, und ich war in Beirut. Im Libanon. Europa, Afrika und jetzt Asien. Bergig, schön, gepflegt und praktisch. Der Tag war noch nicht rum, da hatte ich mit dem Verlegen von elektrischen Leitungen in einem Haus schon eine Handvoll libanesische Pfund verdient. Ich entdeckte köstliche Orangen, kühle Limonengetränke und die besten Melonen der Welt.
Es mag den Eindruck erwecken, als hätte ich bisher nur die gute heile Welt erlebt. Es stimmt, ich habe das Reisen fast immer von einer angenehmen Seite kennengelernt. Ich habe nur wenige Menschen getroffen, die etwas gegen mich hatten oder mich bewusst ignorierten. Vorurteile hatte ich sowieso nicht. Woher auch? Bestimmt nicht aus meinem mecklenburgischen Dorf. Gefahren drohten nicht. Oder ich sah sie nicht, weil ich ein naiver Schwärmer war.
Syrien. Ich erinnere mich an amerikanische Limousinen, Damaskus, Aleppo, Basare. Passfotos machen, Visa beschaffen für Irak und Persien. Ein fließend Deutsch sprechender Polizeikommissar, der seine Ausbildung in Dortmund absolviert hatte, zeigte mir sein Damaskus.
Irak. Ich erinnere mich an Wüste pur. Der Lastwagen, der mich nebst Rad nach Bagdad beförderte, spurte nicht. Er fuhr einfach quer durch die Wüste. Annähernd 20 Sunden durchs Nichts auf einer festen Wüstensanddecke mit gebrochenen Linien. Den einzigen Schatten spendete unser Lastwagen. Als ich den ersten Tee in einer Stube hinter der Tigrisbrücke trank, fühlte ich eine seltsame Stimmung. Alles war so anders als Ägypten. Fast märchenhaft. Solche Bilder hatte ich als Kind in den Märchen von Wilhelm Hauff gesehen. Seltsames Schuhwerk, Turbane, Wasserpfeifen, Kaffeegeschirr. In den Teestuben servierten Kinder, farbig angezogen und mit wunderschönen Turbanen, wie der »kleine Muck«.
Iran. Ich erinnere mich an Betten. Die Iraner hatten richtige Bettgestelle mit weißen Laken und Zudecken. Die Iraner bauten überall Straßen und Brücken. Die Iraner zeigten mir regelrechte gekachelte Badetempel, feine Märkte und Moscheen. Mir blieb vor Staunen das Herz stehen. Nur die Distanzen zwischen den Ortschaften waren groß. Manchmal zu weit auseinander, sodass ich in verlassenen Hütten am Wege übernachtete. Ich passierte die Städte Kermanschah, Hamadan, Teheran, Ghom, Isfahan, Kerman, Bam, Zahedan. Es war November, und es wurde kühl. Gut zum Fahren, weniger schön des Nachts.
In Karachi/Pakistan logierte ich im Gästehaus des YMCA, einem flachen Steinbau mit Innenhof direkt am Ufer einer Bucht. Dort traf ich die ersten Tramper. Einen Schweizer, einen Deutschen, einen Holländer. Alles Rucksackreisende, sehr selbstbewusst.
Ganz Pakistan wirkte selbstsicher und geordnet. Die Leute stolz und ausgeglichen, klar aufgeteilte Städte, enge, aber prima Straßen zum Fahren (weil es wenig Straßenverkehr gab) und schöne Häuser. Höhepunkte waren Quetta, Lahore und einige Dörfer – mit all ihren Vor- und Nachteilen. Ich war nie allein. Im Handumdrehen umgab mich eine Menschentraube. Von Pakistan kam man nur per Eisenbahn nach Indien. Die ratternde Verbindung durch die Wüste Thar war Gott sei Dank kurz.
Indien. Mein Ziel vom ersten Tag dieser Tour an.
Ich stand auf dem Bahnhof Jodhpur. Einerseits: Ich bin da. Endlich und überhaupt, Arme hoch. Andererseits: Mit einem beklagenswerten Stück Fahrrad bin ich da. Meine schöne Diamant-Maschine war Schrott. Geflickte Schläuche, mit Bindegarn zusammengehaltene Mäntel, Draht hielt die Schutzbleche in Stellung, die Gepäcktaschen waren zum Schämen. Schlimmer noch: Mir fehlte das Bewegungsgefühl fürs Fahrrad. Es eierte. Ich fühlte mich mit dem Rad nicht mehr als Einheit. Bombay würde ich noch schaffen. »Dort gibt es Ersatzteile für dein Rad«, sagte ein Inder zu mir. Und ich glaubte ihm.
Ich war nun fast ein Jahr unterwegs, und nach Passieren der ockerfarbenen Stadtmauern von Jodhpur hatte ich 1000 Meilen bis Bombay vor mir. Falls ich nicht durch Reparaturen aufgehalten werden würde, schien mir die Entfernung nicht besonders weit. Wieder begegnete ich Kamelen. Kühe lagerten mitten auf der Straße.
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