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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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Lederbeuteln und aus meinen Flaschen. Einen Schlafplatz zu finden war die leichteste Aufgabe. Eine Familie mit einem Lehmhaus oder Zelt, wo ich mich ausbreiten konnte, fand sich immer.
    Jetzt muss man nicht denken, dass dort nur herrlich weißer oder gelber Sand ist. Verstärkt fand ich auch festen dunklen Sand mit Steinchen und Steinen dazwischen und Savanne. Den losen Sand hatte der Wind zu kleinen Dünen aufgeweht, die ich umfahren musste. Und es war auch nicht so, dass ich mich nach sorgfältiger Wegbeschreibung der Einheimischen aufs Rad setzte und 30 Kilometer in einem Stück durchfuhr. Schon nach wenigen Kilometern landete ich meist an einer Gabelung und musste mir meine Route zusammendenken, mit Hilfe der Sonne und meiner Saharakarte von Michelin. Ohne die hätte ich Ghadames nie gefunden. Darin waren neben Sandpisten auch winzige Ansiedlungen mit Brunnen und Palmen verzeichnet, die aber selten noch bewohnt waren.
    Das Fahren war streckenweise nur ein Schieben. Wurde der Sand zu fein, war es nämlich unmöglich, die Balance zu halten. Meine Laufräder rutschten seitlich weg, und die weltbeste Campagnolo-Kettenschaltung knirschte, trotz allem Schmieren und Ölen. Dabei hatte ich mein Gepäck erneut enorm reduziert. Höchstens noch 15 Kilo. Inklusive Fladenbrot, Datteln, Kekse und Wasser in meinen Aluminium-Trinkflaschen. Die waren noch ein Relikt meiner DDR-Rennfahrerzeit – dort die »schnellen Pullen« genannt. Kam ich gegen Mittag in einer Siedlung an, bot man mir sofort einen Schattenplatz und reichte mir einen Krug Wasser. Nie werde ich diese Augenblicke vergessen, wenn das kühle Nass aus dem Tonkrug durch meine Kehle rann. Wurde mir ein Essen gereicht, Lammfleisch und Hirse zum Beispiel, hatte ich ein ähnlich wohliges Gefühl.
    Hygiene fand in der Wüste statt – mit Sand. Dennoch fühlte ich mich bald dreckig. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Toilette aufgesucht zu haben. Offenbar transpirierte ich alles Flüssige. Kann mich auch nicht erinnern, Wasser verweigert zu haben. Was Wunder: Es war heiß, brüllend heiß. Tagsüber konnte ich die Hitze nicht abschütteln. Manchmal trat die sandige Wüste ganz nahe heran, und ihr Gelb und Grau wandelte sich in der Weite zu einem dunstigen Violett, das schließlich im blassen Blau des Himmels aufging. Der Horizont flimmerte und verschwamm. Wegen dieser Umstände radelte ich auch nur vom frühen Morgen bis zur Mittagszeit. Zudem hatte ich mit Sportschuhen, Socken, Shorts und Hemden nicht die richtige Kleidung. Vieles war verdammt anstrengend – der Pedaltritt, die Balance in der Spur halten, der Blick in die leere Landschaft. Kein Baum, kein Berg stoppte die Sicht überm Lenker.
    Und ich war immer hungrig. Der Hunger schien mein Verbündeter geworden zu sein. Er hielt sich zwar diskret im Hintergrund, war aber immer fühlbar, ohne aufdringlich zu werden. Da alle aus einer Schüssel aßen, sagte ich mir nach einigen Einladungen: Du musst zugreifen, sonst ist die Schüssel leer. Nicht rumgucken, nicht erzählen. Besteck gab es nicht. Alles ging mit der Hand. Ein Stück Fladenbrot abreißen, zwischen die Finger legen und damit in den Topf oder die Tonschüssel, mit Fleischstücken und Hirse auffüllen und in den Mund. Die Männer in der Runde schienen überhaupt nicht zu kauen. Sie schlangen alles schnell hinunter. Der Kehlkopf arbeitete angestrengter als die Kinnbacken. Kaum dass mir dieser Vorgang zu Bewusstsein kam, hatte sich die Schüssel geleert. Die Brotfladen schmeckten gut, auch von der Hirse hätte ich zu gern etwas mehr gegessen, leider war sie rasch verschwunden. Gierig schaute ich dorthin, von wo das Essen gebracht wurde. Als Nachtisch wurden getrocknete Datteln gereicht. Lecker, süß und klebrig. Dazu schwarzer Tee mit reichlich Zucker. Sheih war dann auch eines der ersten arabischen Worte, das sich mir einprägte. So wie Salam . Meist radebrechte ich weiter mit Italienisch, das in der ehemaligen italienischen Kolonie Libyen auch ganz gut verstanden wurde.
    In regelmäßigen Abständen kamen die Erinnerungen. An Besteck und an den Nachtisch daheim bei Mutter: Pudding, Kuchen, Obstkompott. Dort hatten wir nie richtig Hunger, im Grunde mehr als genug zu essen. Fleisch entsorgte ich manchmal heimlich vom Teller, weil ich das nicht gerne aß. Doch wie gerne hätte ich nun in der Wüste einen Nachtisch gehabt. Aber ich saß mit wildfremden Männern (Frauen verschwanden im Zelt) auf einem Teppich, umgeben von bloßem Sand, die Beine

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