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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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Lastwagen, mit Gütern turmhoch beladen. An die Städte Syrte, Bengazi, Cyrene, Tobruk kann ich mich kaum erinnern. Orte, die ich passierte, ohne dass etwas passierte – außer dass es mir zu langsam voranging.
    Mein Ägypten wartete. Neben Italien und Indien war dies in meiner Dorfschulzeit das wichtigste Land für mich gewesen. Mein Schulweg führte über Feldwege an Kornfeldern und Wildblumen entlang, und dort repetierte und träumte ich mich tiefer in die Themen des Unterrichts. Nil, Pyramiden, Ramses, Alexandrien, Suezkanal …
    Die Provinz Cyrenaika im Osten Libyens war heiß und bergig, sodass es dauerte mit dem Vorankommen. Sehr gut war, dass ich mir in der antiken Stadt Cyrene wieder mal die Mühe gemacht hatte, Tretlager und Schaltung zu reinigen und zu schmieren. Trotzdem lief es nicht wie geschmiert. Die Zeiten, in denen ich die Berge Italiens wie ein sportlicher Rennfahrer hochstürmte, waren endgültig vorbei. Ich arbeitete mit dem ganzen Körper, stieg schon mal ab und schob mein Gefährt. Die Straße war es nicht, die das Fahren mühsam machte. Die antike Küstenstraße von Tunis bis Kairo war asphaltiert. Mir fehlte die Kraft.
    In Kairo gönnte ich mir eine Pension mit Frühstück. Ich langte in einem Maße zu, dass es für den ganzen Tag reichte. Ausgehungert und gierig auf Weißbrot und Butter, auf ein Omelette und Kakao, konnte ich mich nicht zurückhalten. Die Hungertage im Staub der Wüste waren noch immer spürbar.
    Wieder gut bei Kräften, landete ich eine Tagesfahrt später im ägyptischen Städtchen Port Tawfik. Das ist die südliche Einfahrt in den Suezkanal. Dort, wo die Dampfer in Konvois zusammengestellt wurden, um durch den Kanal gelotst zu werden. Hinter mir lag praktisch – von Tunis bis zum Kanal – nur Wüste, Staubwüste, Sandwüste, Steinwüste. Manchmal eine Stadt, vor allem aber Siedlungen oder die schlichten Zelte von Nomaden. Und jetzt, an der Grenze zu Asien, tauchte plötzlich diese grüne Stadt auf. Mit gierigen Augen durchkurvte ich die grüne Fremde, um sie zu begreifen. Auf der westlichen Seite lag der Hafen, in der Bucht daneben sah ich kleine Holzboote mit Lateinersegeln. Entgegengesetzt, Richtung Suezkanal, zeigte sich eine mit Palmen und Zypressen beschattete Promenade. Der eigentliche Kanal erschien mir schmal. Was sind 100 Meter, wenn unendliche Wüste hinter einem liegt. Auf der Böschung des Kanals, im Schatten der Bäume auf grünem Gras streckte ich mich aus. Ich betrachtete die Schiffe, die im Konvoi vorbeizogen. Schiffe aller Länder. Schiffe allen Kalibers. Ich war fasziniert. Etwa sechs Stunden zogen sie in Richtung Nord, dann, nach einer Pause, zog ein neuer Konvoi vom Norden kommend vorbei nach Süden. Abends überflutete Licht den Kanal, und das Erlebnis mit unzähligen Frachtern, Tankern und undefinierbaren Schwimmfahrzeugen ging weiter.
    Regungslos beobachtete ich das und träumte. Wahrscheinlich schon von Indien, wo ich nun bald sein wollte. Oder von zu Hause, wo meine Mutter Kühe melkte, mein Vater zum Messer griff, um ein Schwein abzustechen, und mit der Hand Blut rührte, damit es nicht gerann, wo mein Bruder Elektrokabel verlegte und Lampen montierte, wo meine Freunde an der Fernstraße fünf in Mecklenburg standen, um die neuesten Westautos anzuschauen, und die Mädchen im Oktober ihre Mäntel rausholten, um an irgendwelchen Ecken herumzustehen, meist nicht weit entfernt von den Jungen. War meine Freundin Anne auch dabei?
    Diese Kanalpassage zu erleben war für mich das Allerschönste in Ägypten. Schöner als die Touristenattraktionen Alexandria, Pyramiden, Sphinx, Nil. All die Nationalflaggen der Schiffe und die unterschiedlichen Embleme auf den Schornsteinen. Großartig.
    Yussouf kannte alle Reedereiflaggen, die Nationalflaggen, die Schiffstypen. Hatte ich ein Frage, beantwortete er sie auf Deutsch. Yussouf, ein Ägypter, der noch vor dem Krieg in Hamburg eine Ausbildung zum Reedereikaufmann gemacht hatte, hatte ein Herz für mich. Und eine Hütte, ganz für mich allein – völlig ungestört, nur wenige Schritte vom Kanal entfernt. Hamburg hat ihm offenbar gefallen. Glück gehört zum Reisen. Als Zugabe befand sich auf der Rückseite der Hütte eine Küche samt Köchin.
    Vierzehn Tage hielt ich es am Golf von Suez aus. Schiffe gucken, Bohnen, Linsen, Reis, Eier essend. (Essen war wichtig, aber nicht das Wichtigste.) Mit Yussouf und seiner Familie auf der Balustrade seines Hauses bei einem Glas Wasser mit Eiswürfeln im milden

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