Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
der Erde unterwegs war.
Neben dem Eintauchen in diese faszinierenden Naturgroßräume packte mich zwischen zwei Wüstenexpeditionen aber auch immer wieder der Wunsch, das »echte Meer« kennenzulernen, das ja nach wie vor nicht enden wollende Sehnsüchte und Träume hervorruft. Vor allem ein Impuls war es, der mich hierbei antrieb: das Interesse an alten Seefahrtsrouten, die auch heute noch eine Fülle von Entdeckungen, Einsichten und Wahrheiten bieten, wenn man sich auf den Weg macht, um aus der Perspektive früher Seenomaden die Welt zu erleben. Natürlich war es nie mein Ziel, nonstop um die Welt zu segeln – schon gar nicht allein, denn mein seefahrerisches Können hält sich in Grenzen.
Jahrhundertelang lagen die Ruinen von Gedi, sagenumwobene Handelsstadt der Araber, im kenianischen Küstenurwald verborgen.
Gleichwohl ist die Erde für mich noch ein ganzes Stück größer geworden, seit ich mich mit Faltboot, selbstgebautem Holzfloß oder einer Segelyacht aufs Meer hinauswagte. Es war der Versuch, ein Gefühl für diese grenzenlosen »blauen Räume« zu bekommen, um mir begreifbar zu machen, dass ein Drittel unserer festen Erdmasse zwar aus Sand- und Steinwüsten besteht, dass aber drei Viertel unserer gesamten Erdoberfläche eben nicht »Erde«, sondern Wasser sind – bewegte Ozeane, mal blau, grau oder grün, die sich über eine schier kosmische Endlosigkeit erstrecken.
So kam es, dass ich im Kielwasser der Wikinger die Insel Island im Nordatlantik umrundete – auf den Spuren von Gardar Svavarsson, der um 865 der Küstenlinie Islands folgte und als Erster feststellte, dass es sich bei diesem geheimnisvollen Land um eine Insel handelte, die in jenen fernen Tagen am Nordrand der Erde noch »Thule« genannt wurde. Später segelte ich auf den Spuren der Phönizier kreuz und quer durch das Mittelmeer, dann folgte ich Jason auf seiner abenteuerlichen Fahrt zum »Goldenen Vlies«, die in dem Buch Argonautika von Diodorus Siculus überliefert ist, bis ins Schwarze Meer. Zudem segelte ich in der Ägäis, vor der Küste Afrikas sowie im Tyrrhenischen und Ionischen Meer auf der sagenumwobenen Irrfahrtsroute des griechischen Helden Odysseus, dessen Kurse und Wege bereits Homer in seiner Odyssee so faszinierend geschildert hat.
Und dann war da noch jener ungewöhnliche Segeltörn, den ich im Indischen Ozean an Bord einer afrikanisch-arabischen Dhau erlebte. Eine Reise, die mich fast unmerklich aus dem 20. Jahrhundert in eine längst vergangene Zeit führte, nach Sansibar, eine Insel, die mir wie ein tropisches Märchen von Scheherazade erschien.
Die Luft war in Sansibar-Stadt mit Gewürzdüften geschwängert, und ich litt schon seit Tagen unter der feuchtschwülen Hitze. Vom Schweißgeruch angezogen, attackierten mich Moskitoschwärme ohne Unterlass, während es nach Moder, Müll und Urin roch. Ich sah verschleierte Frauen, die in nachtschwarze Tücher gehüllt waren, und großgewachsene Männer in weißen Gewändern, die auf den Köpfen buntbestickte Gebetskappen trugen, sah verstohlene Kinderaugen, die durch Fenster mit Gitterstäben blickten, während vom Minarett die Stimme des Muezzins die Gläubigen zum Gebet rief.
Mit jedem Schritt, den ich in der »Stone Town« von Sansibar-Stadt machte, tauchte ich tiefer ein in die labyrinthartige Altstadt. Es ging durch Gassen und Gässchen, über lichte Plätze und vorbei an Wohnhäusern und Palästen mit tausend Erkern, denen man ansah, wie viel Zeit über sie hinweggegangen war. Vor allem Sonne, Wind und Regen hatten die Zerstörung der kunstvollen Gebäude bewirkt. Balkone aus morschem Mangrovenholz wechselten mit verwahrlosten Einlasstoren und hohen Mauern aus porösem Korallenkalk. Hier zerfiel der architektonische Schatz einer ehemals reichen Stadt.
Seit vier Wochen war ich nun schon im Indischen Ozean unterwegs und folgte einer historischen Seefahrtsstraße, auf der die Araber einst nicht nur Gewürze, Gold und Seide transportierten, sondern auch Millionen von Sklaven aus Schwarzafrika, weshalb diese Route als »Seeweg der Tränen« bekannt wurde. Über diesen historischen Seeweg las ich über Monate hinweg alles, was ich in die Hände bekommen konnte, ehe ich im Frühjahr 1997 nach Afrika aufbrach. In den Hafenstädten von Madagaskar hielt ich tagelang Ausschau nach einer Dhau, die noch auf der traditionellen Handelsroute der Araber nach Sansibar segelte. Nur mit allergrößter Überredungskunst gelang es mir schließlich, an Bord einer jener
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