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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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eine großartige Geliebte sein. Dann ist Segeln mehr als Tuch-Hochreißen, Bergen, Trimmen, Einbinden. Ich bin ein Mensch in unberührter Natur und genieße jede Sekunde. Ja, fabelhaft nach den vielen Jahren in Ost- und Nordsee mit den ganzen Untiefen-Tonnen, Schiffen, Bohrinseln und Marinas. Ich fühle mich wie jemand, der aus einem Schwimmbecken ins Meer wechselt.
    Dass ich den Absprung zu dieser Reise tatsächlich geschafft habe, ist immer noch ein Wunder. Als ich im Juni meinen Probetörn durch die dänische Südsee machte, glaubte ich nicht daran. Ich hatte zu viel Respekt vor der verkehrten Route. Monatelange Schräge, würden das Schiff und ich das bestehen? Auch gab es zu viel an kathena nui zu richten, die lange aufgebockt hinter unserem Haus an der Schlei stand und zugleich mein Seeweh wachgehalten hatte.
    Und dann hatte ich noch mit dem Widerstand meiner Frau Astrid zu kämpfen. »Nein, nein und nochmals nein«, hatte sie gesagt, als ich mich mit meinem Vorhaben outete, »das Ganze ist dreimal verrückt, für jeden Ozean einmal!« Erst nach einem erfolgreichen Testtörn brachte ich sie peu à peu auf meine Seite.
    14. September – 32. Tag
    Nach vielen gebrauchten Booten war kathena nui 1984 das erste neue Schiff, das ich gekauft hatte. Das Boot für eine schwierige Weltumrundung musste leicht sein und zugleich sicher und gut segeln. Daher kam für mich nur ein Aluminiumrumpf in Frage, und der kostete natürlich einiges. Deswegen musste ich bei der Größe des Bootes sparen: Mehr als 10,60 Meter waren nicht bezahlbar. Dahinein investierte ich dann alle meine Vorstellungen: Mittelkieler, vollverschweißte wasserdichte Schotts, verschraubbare Luken, breite Kojen, großer Kartentisch und Kuttertaklung. Das Ergebnis war ein schlichtes, zeitloses Boot, das mir sofort unendlich viel Vertrauen einflößte. Dass ich bei Sturm in der Koje liegen und entspannt ein Buch lesen konnte, ohne den Faden zu verlieren, war die Extra-Anstrengung bei Bau und Ausrüstung wert. Vor allem entwickelte sich von Anfang an eine Verbindung zu kathena nui und ihrer Geschichte, die für mich den Übergang zur Freiheit, zum Bruch des Alltäglichen bedeutete.
    Tagelang Windstille. Dann schwächliche Brise, die ständig die Richtung ändert. Stechende Hitze. Unter Deck bestimmt 40 Grad, der Alurumpf heizt sich enorm auf. Der Ozean makellos blau, die Dünung lang. Mein Boot torkelt leicht, die Segel schlagen heftig, Taue knarren, Beschläge reißen. Ich bin in den Mallungen, den Flautezonen beidseitig des Äquators.
    Nachts plötzlich Böen und »fallender Himmel«, ein tropischer Wolkenbruch. Es gelingt mir, 60 Liter Frischwasser aufzufangen. Am folgenden Morgen mache ich Waschtag: Sechzehn Kleidungsstücke werden im Cockpit von Hand durchgeschrubbelt. Eine eigenartig befriedigende und erfüllende Tätigkeit. Irgendwie meditativ.
    Danach springe ich ins Wasser, um den Bauch des Bootes zu säubern. Entenmuscheln haben sich nach gut einem Monat schon fingerlang entwickelt. Mit einem Malerspachtel steche ich sie vorsichtig ab. Mehr als ärgerlich: Ich habe meine Schwimmflossen vergessen. Bei einer Haiattacke würde ich nicht so schnell sein wie vielleicht notwendig.
    14. Dezember – 123. Tag
    Gischt und Gräue. Graumilchig tobende See. Der Himmel matschgrau. Wie Pulverschnee zerstäuben die Schaumkronen der Brecher in Lee. Wenn sie das Schiff auf der Luvseite treffen, knallt es wie Schüsse.
    Seit Kap Hoorn fahre ich Kreuzkurs. Für diejenigen, die seemännisch nicht so firm sind: Dieser Gegen-den-Wind-Kurs ähnelt sehr einer Zickzacknaht. Man segelt von zick nach zack, und dazwischen finden die Segelmanöver statt. Aber der Kurs bedeutet neben Segelarbeit und Kursänderungen auch viel Gischt, Dauerschräglage, Abstemmen, Festhalten bei allen Arbeiten, und selbst beim Schlafen muss man sich mit Kissen festkeilen. Wie man das bewerkstelligt, habe ich schnell raus.
    Kochen jedoch bleibt ein strategisches Problem. Mit weit gespreizten Beinen, abgestemmt gegen die Möbel, hantiere ich vor dem zweiflammigen Petroleumkocher. Eine Hand dient zum Festhalten, die andere zum Rühren in Topf oder Pfanne. Beim Zwiebelschneiden wird’s richtig ernst. Da liege ich praktisch auf der winzigen Anrichte. Ohne Zwiebel gibt’s bei mir auf See kein Essen. Ist das Gericht gekocht, verhole ich mich damit auf den Kajütboden, dem ruhigsten Punkt des Schiffes, umklammere die Schüssel und führe den Mund vorsichtig zu Gabel oder Löffel. Versuche ich es

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