Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
eroberte. Auch hier war ich immer wieder Gast in einer Jurte und lernte die wichtigsten Grundlagen der mongolischen Küche kennen: Milchprodukte, Fleisch, Wildgemüse, Salz, Zwiebeln, Pilze und dampfenden Reis, den ich aus kleinen Schälchen mit den Fingern aß. Im chinesischen Teil der Gobi musste ich mich hingegen an den Gebrauch hölzerner Essstäbchen gewöhnen, die von den Chinesen kuaizi genannt werden, was so viel wie »Beschleuniger« bedeutet.
Trotz des knappen Nahrungsmittelangebots – ein Problem in allen Wüsten der Erde – waren die kulinarischen Leckereien in den Einöden Chinas und der Mongolei höchst abwechslungsreich. Was wurde da nicht alles in Töpfen und auf Tellern zubereitet: Es gab süßen Quark aus Schafs- oder Ziegenmilch ( eesgij ), salzlosen Käse ( bjaslag ) und würziges Kamel-, Hammel- und Rindfleisch, das gekocht oder halbgar gegessen wird, sodass im Blut noch jede Menge Spurenelemente enthalten bleiben, die den Nährwert erhöhen. Ebenso schmackhaft war der mongolische »Feuertopf«. Eine nahrhafte Bouillon, die ich aus einer kleinen Schale schlürfte. Dazu tauchte ich einen kleinen Holzspieß mit Fleischstückchen oder Gemüsescheiben in die kräftige Brühe des Feuertopfes zum Garen ein.
Nicht so ganz mein Fall waren der Fettsteiß des Fettschwanzschafs und ein Gericht namens boodog : eine fast unbeschädigte Ziegenhaut, aus der man alle Innereien und Knochen herausgetrennt hat, wird mit gewürzten Fleischstücken gefüllt, zu denen die Mongolen glühende Steine legen. Dann wird der luftdicht verschnürte »Tiersack« von außen gebraten, sodass das Fleisch von allen Seiten im eigenen Saft schmort.
Zu den Mahlzeiten gibt es immer reichlich Tee, der oft aus gepressten Teeziegeln zubereitet wird. Und da die Mongolen wie auch die Chinesen nicht nur große Esser, sondern auch große Trinker sind, lieben sie verschiedenste Sorten Milchbranntwein, archi genannt, sowie airag , das Nationalgetränk der Mongolen: leicht vergorene und alkoholhaltige Stutenmilch. Alle Milcherzeugnisse gelten bei den Mongolen übrigens als glückverheißend, weil die Farbe Weiß Sinnbild für Reinheit und göttliche Vollkommenheit ist.
Natürlich darf ich den chinesischen Reisschnaps Mou-tai nicht unerwähnt lassen, von dem ich während einer uigurischen Hochzeitsfeier sehr viel mehr trank, als ich vertragen konnte. Ich erinnere mich noch genau, wie ich in den neunziger Jahren durch Chinas Turfan-Senke wanderte, eine 78 000 Quadratkilometer große Wüstenebene, die mit 154 Metern unter dem Meeresspiegel als eine der tiefstgelegenen Regionen der Welt gilt. Diese Gegend wird von den Chinesen Houzhou genannt – »Land des Feuers«. Denn in dieser Senke klettert die Temperatur im Sommer auf fast 50 Grad, während sie im Winter bis zu minus 15 Grad absinkt. Zudem schwillt hier an fast 70 Tagen im Jahr der heiße Wind zu Sandstürmen an, die mit mehr als acht Stärken durch die Trockensenke toben. Mittendrin liegt die Oase Turfan, einer der heißesten Orte Chinas und dennoch ein Ort der Fruchtbarkeit: Ein 2000 Jahre altes Bewässerungssystem, das aus unterirdischen Kanälen und Hunderten von Brunnen besteht, zaubert sattes Grün in die Wüste. Hier sah ich nicht nur kleine Wäldchen, sondern auch Baumwoll-, Mais- und Melonenfelder sowie die berühmten zuckersüßen, kernlosen Weintrauben, deren Reben einige Straßenzüge umrankten.
Gastfreundschaft ist hier noch heilig. Völlig überraschend wurde ich von einem uigurischen Brautpaar zur Hochzeit eingeladen. Mehr als 100 Gäste saßen unter freiem Himmel an langen Holztischen im Schatten riesiger Sonnensegel. Ein fröhliches Essgelage, zu dem es gebratene Hühnchen, höllisch scharfes Fleisch, gesalzenen Reis, allerlei Gemüse und Fladenbrot gab. Danach wurde mein Glas immer wieder mit Reisschnaps gefühlt, sodass ich irgendwann, angefeuert durch das rhythmische Klatschen der Uiguren, in dicken Socken wie ein Derwisch über einen großen bunten Teppich tanzte, bis ich über die eigenen Füße stolperte und schallendes Gelächter erntete.
Eine ganz andere Esskultur erlebte ich in der afrikanischen Sahara bei den Tuareg. Dort steht vor allem Getreide wie Hirse, Gerste und Weizen im Mittelpunkt der Ernährung. Hinzu kommen Datteln, die für die gesamte Vitaminzufuhr sorgen, und natürlich Milchprodukte, die die Tuareg weitgehend selbst herstellen. Fleisch gibt es eher selten, Ziegen oder Schafe werden nur zu besonderen Anlässen geschlachtet.
Die
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