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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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bewohnen. Ihr Siedlungsraum ist die Kaisut- und die Chalbi-Wüste, die zu den härtesten von Menschen bewohnten Gebieten der Erde zählen. In diesen entlegenen und unfruchtbaren Regionen wächst kaum etwas. Ein Land so heiß und unbarmherzig, wie ich es nur selten erlebt habe, voller Fliegen, Moskitos, Skorpione und Vipern – und dennoch anziehend und faszinierend.
    Viele Monate lebte ich bei diesem afrikanischen Naturvolk, wo die Menschen den Willen Gottes am Himmel ablesen. Hier gibt es noch Regenmacher und Aberglauben, und die Männer sind mit Schlagstöcken, Speeren sowie Pfeil und Bogen bewaffnet, neuerdings auch mit Gewehren oder Kalaschnikows. Die Frauen tragen dicke Kettenwülste, Unterlippenpflöcke und Ohrringe aus Knochen oder Elfenbein – und gemäß einem traditionellen Schönheitsideal werden ihnen die unteren Schneidezähne ausgeschlagen.
    Anfangs sahen die Turkana in mir nur eine Art Goldesel, der sie mit nötigem Geld versorgen würde. Doch als sie begriffen, dass auch meine Mittel begrenzt waren, beschimpften und bedrohten sie mich, bis ihr Interesse an meiner Person nachließ. So konnte ich viele Monate lang bei ihnen bleiben und das Gefüge eines afrikanischen Wüstenstammes kennenlernen, das vor 30 Jahren fast noch in vorkolonialer Zeit lebte.
    Als Nomaden, die seit jeher Schafe, Ziegen und Kamele züchten, besitzen sie nur so viel, wie sie selbst oder ihre Lastentiere tragen können. Überdies wohnen die Turkana in transportablen Hütten, die aus langen Zweigen geflochten werden und mit vertrockneten Gräsern und Palmenblättern abgedeckt sind. Aus der Ferne wirken diese Hütten, die nur durch ein Kriechloch zu betreten sind, wie umgedrehte Vogelnester.
    Die Hauptnahrungsmittel der Turkana sind Milch, Blut und Fleisch. Doch die Dürre hat dieses Volk in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder dazu gezwungen, die Wüste zu verlassen, um sich an den Ufern des 300 Kilometer langen und im Durchschnitt 50 Kilometer breiten Turkanasees anzusiedeln, wo Fische, Krokodile und Schlangen zur alternativen Nahrungs- und Einnahmequelle wurden. So kam es, dass sie mit umherziehenden Händlern tauschten: Tierhäute und Trockenfisch gegen Zucker, Tee und Getreide, während sie die wenigen Regenzeiten dazu nutzten, um Kürbisse und Hirse anzubauen. Als eines der wichtigsten Gerichte der Turkana gilt Ugali : Maismehl wird in aufgekochtem Wasser zu einer dicken Pampe angerührt. Keine besonders schmackhafte Speise, aber reich an Kohlenhydraten. Ebenso deftig sind die Teigfladen aus Wasser, Weizenmehl und etwas Salz, die über dem Feuer gebacken werden. Mit ein paar Gewürzen oder etwas Zucker schmecken sie sogar ganz lecker.
    Etwas ganz Besonderes erlebte ich bei den Turkana, als in ihrem Kral ein Breitschwanzschaf geschlachtet wurde. Mit einem Schnitt durch die Kehle musste das Tier ausbluten, ehe man das Schaf zerlegte und die älteren Männer anhand der Eingeweide die unterschiedlichsten Prophezeiungen anstellten. Erst dann wurden die Fleischstücke gekocht oder geröstet, wobei Fettstreifen und Teile des Dickdarms als absolute Delikatesse galten, allerdings nicht für mich.
    Das Bush Food (Buschessen) der australischen Aborigines hat dagegen Einzug in Restaurants und Hotels des fünften Kontinents gehalten. Selbst Supermarktketten bieten unter dem Begriff bush tucker Nahrungsmittel der Ureinwohner an und verkaufen traditionelle Gewürze und Öle, seit man sich in Australien für das Wissen der ältesten noch lebenden Menschenrasse interessiert. Ein uraltes Wissen, zu dem auch die australische Pflanzenwelt des Outbacks sowie die Zubereitungsarten der traditionellen Küche der Aborigines zählen, die vor 40 000 bis 50 000 Jahren aus dem südostasiatischen Raum über eine damals noch bestehende Landbrücke auf den fünften Kontinent kamen.
    In den Halbwüsten und Savannen, die die Aboriginies seit eh und je durchstreifen, ist man nicht unterwegs, um irgendwo anzukommen, sondern kehrt in die Zeitlosigkeit zurück und wird zum Einsamkeitsenthusiasten, den die Natur neu »erdet«. Unter einem gnadenlos blauen Himmel, der viel tiefer zu hängen scheint als der in Europa, wandert man durch ein Wüstenreich, das mit einem Überfluss an Weite gesegnet ist. Wie im Breitwandkino erscheint einem die Landschaft, in der struppiges Spinifexgras immer wieder die rotbraune Erde überzieht. Und wenn sich roter Staub auf Haut und Kleidung legt, die Fliegen und Mücken ebenso piesacken wie die Dornen, die Luft unter einer

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