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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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Frauen bereiten die Mahlzeiten zu, essen aber niemals mit den Männern zusammen. Das ist so Brauch.
    Zum Essen ziehen sich die Tuareg gern in den Schatten ihrer Wohnstätten zurück, egal ob sie in transportablen Kamelhaarzelten oder in selbstgebauten Hütten aus biegsamen Ästen oder trockenem Wüstengras leben. Ihre Habseligkeiten im Inneren der Unterkünfte sind überschaubar: ein paar Kisten mit Kleidung und persönlichem Alltagskram, einige Decken, ein paar Metallschüsseln, Kochtöpfe, Becher, Löffel, Messer, Wasserschläuche sowie mehrere Plastikkanister. Reich ist bei den Tuareg nicht der, welcher viel Besitz mit sich herumschleppt. Reich ist nur, wer auch viele Tiere sein Eigen nennen kann. Daher bestimmen vor allem die Ziegen-, Schaf- und Kamelherden den Alltag und die Ernährung. In vielen Saharaländern führten jedoch soziale und kulturelle Umbrüche, Dürrekatastrophen, Kriege und Flüchtlingsprobleme zu großen Veränderungen im Leben der Tuareg, sodass viele Familien oft in menschenunwürdigen Verhältnissen leben.
    Als Gast im geräumigen Tuareg-Zelt, wo zur Mittagszeit die Seitenbahnen hochgerollt werden, sodass der Wind etwas Kühlung bringt, wurde mir immer als Erstes ein Sitzplatz angeboten, dann bekam ich eine Schüssel mit Wasser und einen Tee. Doch ein Targi macht nicht einfach nur Tee. Er veranstaltet eine Zeremonie mit rußiger und bauchiger Blechkanne, kleinen Teegläschen, frischer Minze und grünen Teeblättern, die oft in einer Plastiktüte stecken. Auf einem Kohlefeuer wird die Kanne dann zum Sieden gebracht, ehe man reichlich Zucker hinzugibt, sodass der Tee so süß wie Sirup wird und man sich dem herrlich belebenden Getränk hingeben kann.
    Am liebsten mag ich den Morgentee, wenn ich gerade aufgewacht bin und mich im Dämmerlicht an das leise knisternde Lagerfeuer setze. Ein Targi in dunkelblauem Gewand schenkt mir das Getränk nach altem Brauch ein – mit viel Abstand zwischen Kanne und Glas. Auf dem Tee schwimmt noch etwas Schaum, und das heiße Glas wärmt die Hand, während der blasse Mond verschwindet und eine rote Sonne aus dem Erdschatten aufsteigt. Niemand spricht. Schweigen erfüllt die Weite. So fängt der Tag wahrlich gut an.
    Als Hauptgericht essen die Tuareg zerstampfte Hirse, die in einem zerbeulten Eisentopf über dem Feuer erhitzt wird. Zu dem sättigenden Brei ( eralé teyni ), der mit Ziegenmilch, Salz oder Käse vermischt wird, gibt es Kamelmilch oder einen Becher mit Wasser. Eine vierköpfige Familie benötigt etwa fünfzehn bis 20 Liter Wasser in einer Woche. Davon trinken und kochen sie. Die schmutzigen Teller oder Schüsseln scheuern sie erst mit Sand und benetzen sie anschließend mit einigen Wassertropfen.
    Auch für die Hygiene wird nicht viel Wasser verbraucht. So waschen sich viele Tuareg, die in stadtfernen Wüstengebieten leben, nur zweimal im Monat. Kein Wunder also, dass sie oft einen herben Geruch aus Schweiß, Sauermilch, Urin und dem Rauch vom Holzfeuer verströmen. Doch nie habe ich mich daran gestört. Dieses Aroma gehört nun mal zum Wüstenleben, und jeder, der länger in der wasserarmen Einöde unterwegs ist, riecht ebenso. Aus gesundheitlichen Gründen ist die Hygiene in den großen Wüsten Afrikas nicht so dringend notwendig – denn in dem trockenen Klima verbreiten sich Krankheitserreger zum Glück nicht so rasch wie in feuchten Tropengebieten.
    Auch in anderen Wüsten der Erde sind die lebensbestimmenden Essgewohnheiten der Nomaden von klimatischen Bedingungen, überlieferten Traditionen und landschaftlichen Gegebenheiten geprägt. Viele Menschen, die ich in den großen und kleinen Einöden traf, haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nie werde ich ihre Hilfe, ihre Unterstützung und ihre großzügige Gastfreundschaft vergessen.
    Gleichwohl ist es mir in der Rückschau unmöglich, alle Völker und Stämme zu benennen, denen ich in den Wüsten begegnete. Ebenso wenig kann ich an dieser Stelle all die spezifischen Essgewohnheiten aufzählen, denn nicht alles war mir gleich wichtig. Es ist nun mal so, dass mir an manchen Erlebnissen und Erfahrungen mehr liegt als an anderen, und manche Menschen, mit denen ich ein Stück Weg geteilt habe oder die mich in ihren Hütten beherbergten, sind mir mehr ans Herz gewachsen als andere. Aus diesem Grund darf ich weder die Aborigines in den wüsten Weiten Australiens unerwähnt lassen noch die Turkana, die im Norden Kenias, an der Grenze zu Äthiopien, eine der unwirtlichsten Regionen der Welt

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