Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
sengenden Sonne flirrt und die Zunge wie trockener Lehm schmeckt, kann man dennoch ein Gefühl für die 1000 Wunder dieser scheinbar leblosen Wildnis bekommen, in der die Aborigines Felsen und Höhlen, Hügel und Flüsse als geheiligte Stätten verehren, wo die Geister ihrer Ahnen wohnen. Seit der Traumzeit ihrer Schöpfung fühlen sich die Ureinwohner im Roten Herzen Australiens eins mit der Natur, aus der sie gekommen sind und in die sie immer wieder zurückkehren, weil sie an die Wiedergeburt glauben und ihr Leben mit allen lebenden Dingen der Natur tief verhaftet sehen. Daher erscheinen einem auch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, die viele Aborigines auch heute noch besitzen, nicht mehr so unglaublich: Es heißt, sie können Wirbelstürme voraussagen, auf große Entfernungen Wasser riechen, auf nacktem Fels wochenalte Spuren lesen und die Schwingungen von kilometerfernen Ereignissen wahrnehmen.
Über Jahrtausende haben die Aborigines in den ödesten und unfruchtbarsten Wüsten überlebt, wo es von der Kängururatte bis zur Honigameise und von der giftigen Mulgaschlange bis zum Passum mehr als 250 verschiedene Arten von Lebewesen gibt. Nie haben die Aborigines ein Haus gebaut, ihnen genügte ein Baum, ein Busch oder ein paar verflochtene Zweige als Windschutz. Und dennoch hatten sie schon eine jahrtausendealte Kultur, bevor die Pharaonen ihre Pyramiden bauen ließen.
Gleichwohl verübten die weißen Siedler in den letzten 200 Jahren grausame Untaten an den Aborigines, die mit ihren steinzeitlichen Waffen keine Chance zur Gegenwehr hatten. Sie wurden gejagt, vergiftet, verbrannt und erschossen, weil sie den Weißen im Wege waren. Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein wurden sie als halb Mensch, halb Tier verachtet und ebenso behandelt.
Heute prägen Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und andere soziale Probleme das Leben vieler australischer Ureinwohner. Dennoch gibt es mittlerweile große Gruppen von Aborigines, die sich wieder für die alte Kultur begeistern und das Buschleben neu aktivieren. Zu diesem Leben und Überleben im Outback, im »Weit-draußen«, gehört natürlich auch die traditionelle Ernährung. Wobei die sorgsame Nutzung von Flora und Fauna deutlich macht, wie eng die Aborigines mit dem Land verbunden sind, das eigentlich ihres ist.
Als Jäger und Sammler verfügen sie seit Generationen über ein spezifisches Wissen, das ihnen in der wüsten Weite des australischen Outback eine nahrhafte und vielfältige Ernährung ermöglicht. Zum einen jagen sie Kängurus, Wallabys, Ameisenigel, Schlangen, Salamander, Fledermäuse, Frösche und kleinere Amphibien – und zum anderen sammeln sie verschiedene Pflanzen, die ein wichtiger Bestandteil ihrer Ernährung sind. Da gibt es die wilde Buschpflaume, die einen hohen Anteil an Vitamin C hat, die gelblichgrünen Blüten der Grevillea, die Honig enthalten, die Pflanze Warigal Greens, die dem Spinat sehr ähnlich ist, sowie die Buschtomate (Solanum centrale), die Buschbohne (Rhyncharrhena), die Buschbanane (Marsdenia australis), die Australische Karotte (Daucus glochidiatus), die »Wilde Birne« (Pouteria sericea) – und nicht zuletzt den Känguru-Apfel und die Feige. Überdies wird aus den Samen der Wattleseed-Akazie das sogenannte »Busch-Brot« gebacken, Insekten und Maden liefern das nötige Protein. Als Leckerbissen gilt die Witchetty-Made, die leicht in Asche gegart oder roh gegessen wird. Buschteeblätter lindern hingegen nicht nur den Durst, sondern helfen auch bei Atemwegsproblemen, wie auch der Eukalyptus, der seit jeher für medizinische Zwecke genutzt wird.
Zudem wissen die Aborigines seit frühester Zeit um die Wasserstellen in ihrem rotbraunen Wüstenreich. Denn ohne das kostbare Nass ist ein Leben im australischen Outback ebenso wenig möglich wie in jeder anderen Wüste der Welt. Vielleicht unterscheidet deshalb auch nur ein kleiner Laut zwei arabische Wörter, die für alle Nomaden der Einöden von gleicher existenzieller Bedeutung sind: Aman, iman! – »Wasser (ist) Leben«.
Sturm und Stille
Wer nonstop um die Erde segelt oder Asiens Wüste Gobi von Westen nach Osten durchwandert, gerät bei Sturm und Stille immer wieder in unvorhersehbare Situationen, die große Gefahren in sich bergen. Das sind Stunden oder Tage, in denen man Erfahrungen macht, die in ungezügelter und archaischer Natur nicht gegensätzlicher sein können. Erfahrungen, die vielfältige Emotionen bei uns auslösen und das ganze Spektrum unserer Gefühlswelt
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