Von dir verfuehrt
ihn aber nicht sprechen können“, antwortete sie hochnäsig und kräuselte dabei ihre wulstigen Lippen.
Im Fahrstuhl spürte ich, wie ich mit jedem Stockwerk aggressiver wurde. Mein Herzschlag erhöhte sich und verstärkte den D ruck in meiner Halsschlagader. Geräuschlos kam der Aufzug zum Stehen. Ich stieg aus und steuerte zielstrebig die rothaarige Dame hinter dem halbkreisförmigen Pult an. Himmel, das Kostüm in dem sie steckte saß so eng, dass ihre Brüste sich scheinbar nicht anders zu helfen wussten, als vorn überzuquellen. Allein bei dem Anblick hatte ich das Gefühl ersticken zu müssen. Unwillkürlich fasste ich mir an die Brust und behauptete einen Termin mit David zu haben.
„Das glaube ich kaum. Herr Bender hat gleich ein wichtiges Meeting und wird Si e ganz sicher nicht empfangen.“ Ihren Satz beendete sie mit einem Blick, der so viel sagte wie Jetzt verzieh dich . Arroganz und Überheblichkeit schienen bei der Personalauswahl der Empfangsdamen Einstellungskriterium zu sein.
So einfach wollte ich mich nicht abwimmeln lassen. Ich würde nicht gehen, ohne Dav id gehörig den Kopf zu waschen. „Ich weiß von dem Termin“, log ich ungerührt. „Deshalb bat mich David, vor seinem Meeting zu erscheinen“, probierte ich es mit der ‚ Wir-kennen-uns-auch-privat-Taktik . „Den Termin haben wir gestern sehr kurzfristig vereinbart. Vielleicht hat er vergessen, Ihnen dies mitzuteilen“, schob ich noch hinterher. Ohne zu blinzeln, hielt ich ihrem prüfenden Blick stand. Gleich würde sie über ihren Tresen hüpfen, mich abtasten und durch einen Metalldetektor schicken.
„Worum geht es denn?“, überrumpelte sie mich mit ihrer Frage, auf die ich so schnell keine Antwort fand.
„Ähm … “ Ich konnte ihr wohl schlecht sagen, dass ich hier war, um David einen Kopf kürzer zu machen, weil er ohne mein Wissen mein Café au f irgendwelchen Flyern bewarb.
„Es … es geht um Reg eln“, hörte ich mich antworten.
Eine perfekt gezupfte, rotbraune Augenbraue schnel lte in die Höhe. „Um … Regeln?“
„Ja.“ Keine Ahnung, aus welchen Winkeln meines Gehirns dieser Einfall kam. „Rufen Sie ihn an. Sagen Sie ihm, es geht um Regel Nummer vier.“
„Aha. Und Sie sind?“
„Hannah Sanders.
Ohne mich aus den Augen zu lassen, griff Rotschopf zum Hörer und drückte einen Knopf, vermutlich Davids Kurzwahl. „Eine Frau Hannah Sanders behauptet, sie hätte einen Termin mit Ihnen.“ Sie taxierte mich von Kopf bis Fuß. „Es geht um … Regel Nummer vier.“
Mein Herzschlag erhöhte sich, weil ich nicht sicher war, ob David den Köder schlucken würde. Innerlich bereitete ich mich darauf vor, ohne Rotschopfs Erl aubnis Davids Büro zu stürmen. Ein leises Surren ertönte.
„Sie kö nnen zu ihm“, presste Rotschopf aus zusammengebissenen Zähnen hervor und ihre Gesichtsfarbe machte der ihrer Haare ernstzunehmende Konkurrenz.
Ich verkniff mir ein triumphierendes Ätsch-Bätsch und drückte die surrende Glastür auf.
Beim Betreten des langen Korridors versanken meine Füße in einem grauen Hochflor Teppich. Die Putzfrauen, die den sauber halten mussten, taten mir leid. Es wunderte mich nicht im Geringsten, dass David für solche Dinge keine Antenne hatte. Wieder spürte ich das Blut in meinen Adern hochkochen. Und in den Ohren hörte ich es blubbern. Wie ein wütender Stier setze ich meinen Gang fort und fixierte die offen stehende Tür am Ende des Flurs, in dem zahlreiche … wirklich schöne Gemälde hingen. Unter anderem von Dominic Joice und Silvia Pelissero. Unwillkürlich verlangsamte sich mein Gang. Ich kam mir vor, wie in einer Ausstellung für Kunst der Moderne, in der Stilrichtung, wie ich sie liebte und selber malte. Vor einem großen Ölgemälde von Françoise Nielly blieb ich schließlich stehen. Ich liebte diese Künstlerin. Nur wenige vermochten Gesichtern derart Ausdruck zu verleihen und ihnen so viel Leben einzuhauchen, dass der Betrachtende das Gefühl bekam, sie kommunizierten mit ihm.
„Gefallen sie dir, Hannah?“ Davids unverkennbar tiefe Stimme durchschnitt die Stille und hallte durch den langen Flur.
Ich drehte mich um und stieß mir beinahe die Nase an seiner breiten Schulter. Als wäre er her gebeamt worden, stand er hinter mir, und zwar so dicht, dass nicht mal ein Pinselstrich zwischen uns passte. Herr Gott, musste er immer so zudringlich sein … und dabei noch so unverschämt gut riechen? Ich zuckte leicht zusammen, als ich seine Hand auf meinem
Weitere Kostenlose Bücher