Von Fall zu Fall
»Nach Injektion einer Flüssigkeit in die Fingerkuppen lassen sich Abdrücke gewinnen.«
»Mir bekannt«, sagte er. »Wir haben da selbst einen tüchtigen Mann, der die neuesten Methoden kennt. Also, dann los!«
Wir fuhren in die Berge zurück. Bis wir zu der Fundstelle kamen, war es dunkel, doch ich hatte hier vorher so aufmerksam geforscht, daß ich die Wege genau wiedererkannte. Wir hatten in einem Ort, bevor wir die Paßhöhe erreichten und es jenseits wieder hinabging, einen Polizisten abgeholt und außerdem einen stellvertretenden Leichenbeschauer.
Es wurde eine gräßliche Aufgabe.
Eine Obduktion brauchten wir nicht, um zu erkennen, daß Mord vorlag. Der Hinterkopf des Mannes war völlig zertrümmert, und die Mordwaffe lag dicht neben ihm auf der Erde: die eiserne Stange von einem Wagenheber, etwa sechzig Zentimeter lang. Eins mußte am Tatort noch besonders auffallen, nämlich ein Hut, vermutlich der des Ermordeten: Der Hut lag etwa fünfzehn Meter von dem Toten entfernt.
Ich empfahl dem Vizesheriff, die Entfernung genau nachzumessen und auch in einem Foto zu fixieren.
Er sah mich hochmütig an. »Wozu denn das, Lam? Hier unten in der Schlucht weht der Wind kreuz und quer. Dadurch wurde der Hut am Boden entlanggetrieben bis dort ans Gebüsch, wo er nicht weiterkonnte und jetzt noch liegt. Nächste Woche hätte er vielleicht anderswo gelegen.«
»Vielleicht wird ein gerissener Verteidiger gerade wissen wollen, wo er heute gelegen hat«, wandte ich ein. »Denken Sie doch daran, daß Sie derjenige sind, den man in den Zeugenstand rufen und ins Kreuzverhör nehmen wird. Bei hundertfünfzigtausend Dollar Versicherungssumme wird der Fall vielleicht groß aufgezogen.«
Er überlegte. »Aber was hat denn letzten Endes der Hut überhaupt damit zu tun?« fragte er nach einer Weile.
»Betrachten Sie ihn doch bitte genau«, riet ich.
Statt dessen sah er mich an und sagte: »Na und?«
»Der Hut«, erwiderte ich, »ist in tadellosem Zustand. Der Mann hat ihn nicht aufgehabt, als der Mörder ihm mit der Eisenstange über den Kopf schlug.«
»Und?« fragte der Vizesheriff.
»Haben Sie im Auto beim Fahren den Hut auf, oder fahren Sie ohne?«
»Manchmal mit, manchmal ohne«, antwortete er. »Damit läßt sich doch gar nichts beweisen.«
»Wo haben Sie Ihren Wagenheber?«
»Im Kofferraum hinten. Wieso?«
»Sollte sich herausstellen, daß dies hier die Stange ist, die zu dem Heber in Beckleys Wagen paßt, könnte das doch Bedeutung haben. Denken Sie daran, daß die blonde Anhalterin in dem Ferngespräch berichtete, er hätte eine Reifenpanne gehabt, und sie sei dann mit einem anderen Auto weitergefahren, um in der Stadt zu veranlassen, daß ein Reparaturwagen hingeschickt würde.«
»Aber es ist doch kein Reparaturwagen hingekommen«, widersprach er. »Jedenfalls hatten Sie's mir so gemeldet.«
»Es entsinnt sich keiner, daß die blonde Anhalterin ganz früh, in der Morgendämmerung, um diese Hilfsaktion ersucht hat«, entgegnete ich trocken.
Er blickte mich lange an, dann ging er zu dem Polizisten und ordnete an: »Bill, wir wollen mal mit dem Bandmaß die genaue Entfernung zwischen Hut und Leiche feststellen. Lassen Sie anschließend Fotos vom ganzen Tatort machen, so, wie wir alles vorgefunden haben. Sparen Sie nicht mit Blitzlichtern. Möglichst viele Fotos. Das wird sicher ein ganz kniffliger Fall.«
Während dieser polizeilichen Routinearbeit schlenderte ich ein bißchen weiter umher. Nach einer Weile rief ich: »Seht euch das hier mal an. Sieht aus, als ob hier einem sehr übel geworden ist, so daß er sich übergeben mußte.«
Sie kamen mit ihren großen Stablampen, nahmen die Sache aber nicht besonders wichtig. »Klar«, gab der Vizesheriff zu, »das kommt sehr oft vor. Ist nur die Reaktion, wenn jemand einen Mord begangen und viel Blut gesehen hat. Bedeutet gar nichts.«
»Meine Praxis legt mir nahe«, wandte ich ein, »daß bei Mordfällen auch das kleinste Indiz Bedeutung haben kann.«
Er lächelte jetzt, doch sein Blick blieb kalt. »Weiß ich, Lam, weiß ich alles, aber dies ist nicht Ihre Praxis, sondern meine. Das ist Ihnen doch von Anfang an klar gewesen.«
Ich konnte es nicht leugnen und bestätigte es ihm.
7
Endlich war es so weit, daß sie den Toten bergen und im Sanitätswagen fortbringen konnten.
»Was jetzt?« fragte ich Harvey Clover, den Vizesheriff.
»Jetzt«, sagte er, »werden die Fingerabdrücke geprüft, und nach Beckleys Wagen geben wir Fahndungsbefehl an alle
Weitere Kostenlose Bücher