Von Feuer und Nacht
endlose Schwärze schien sich von einer Seite des Universums zur anderen zu erstrecken. Keine Qual konnte schlimmer sein.
Über lange Zeit hinweg waren Thor'hs Träume erst leer gewesen und dann seltsam. Als die Wirkung des Schiing nachließ, wurden die Albträume intensiver, wie kleine spitze Zähne, die an seinem Bewusstsein nagten. Langsam kehrten Erinnerungen an Hyrillka zurück, und er entsann sich daran, wie er an der Seite des Imperators Rusa'h, seines eigenen Vaters, gekämpft hatte. Aber sie hatten versagt. Thor'h erinnerte sich daran, mit seinen Kriegs schiffen geflogen zu sein, in der Erwartung zu sterben ... Doch dann war er gefangen genommen, gefesselt und gedemütigt worden. Vor dem inneren Auge sah er das grausame Lächeln des Designierten Udru'h, seine gefühllose Weigerung, auf Thor'hs Bitten zu hören.
Später hatte es Schiing gegeben ... zu viel Schiing. Und dann Glückseligkeit.
Und dann nichts.
Und jetzt Dunkelheit. Völlige Dunkelheit.
Er wusste nicht, wo er war. Die Wände waren dick, und er fand keinen Weg hinaus. Wie aus weiter Ferne glaubte er, das Geräusch eiliger Schritte zu hören, aber niemand kam zu ihm.
Er sah nichts und fühlte kein Licht auf seiner empfindlichen Haut. Die Hände waren nicht gefesselt, und er berührte das Gesicht mit ihnen, schlug dann nach einer Wand. Die Schwärze um ihn herum war wie ein kalter Ozean, der ihm Mund, Nase und Augen füllte.
Er schrie immer wieder und hämmerte so lange an die Wände, bis seine Fingerknöchel blutig waren. Vergeblich suchte er nach einer Tür. Die Finsternis schien sich in ein schweres Gewicht zu verwandeln, das ihn langsam zermalmte.
Und es trieb ihn in den Wahnsinn.
Thor'h heulte, schlug an die schwarzen Wände seines Kerkers und kreischte sich heiser. Anschließend stöhnte er in völliger Hoffnungslosigkeit, als sein Selbst zerfaserte.
Niemand hörte ihn.
Niemand wusste, dass er da war. Und es blieb finster.
83 JESS TAMBLYN
Achtzig Arbeiter auf Plumas hatten die Katastrophe überlebt. Doch die Wasserminen, seit Generationen im Besitz des Tamblyn-Clans, waren zerstört.
Kalter Dampf zischte aus den Verarbeitungsanlagen. Die Generatoren der Lebenserhaltungssysteme funktionierten nicht mehr, und in der großen Höhle unter dem Eis wurde es immer kälter. An der Decke leuchtete nur noch eine künstliche Sonne.
Ein weiterer Verlust. Jess sah zur instabil gewordenen Eisdecke hoch, ließ den Blick dann über die Verwüstungen und die vielen in der Kälte erstarrten Toten schweifen. Dies war der Zufluchtsort seiner Familie gewesen, für viele Jahre ihr Traum. Er hatte Plumas damals verlassen, um Abstand zu Cesca und seiner Liebe für sie zu gewinnen, und später war er als ein anderer zurückgekehrt, mit guten Absichten und gefährlichen Selbsttäuschungen.
Der verdorbene Wental in seiner Mutter hatte dieses Chaos angerichtet, aber die Verantwortung lag auch bei ihm. Cesca spürte seinen Kummer und trat zu ihm. Ihre Berührung, die ihm so lange verwehrt geblieben war, gab ihm neue Kraft.
Der alte Caleb klatschte laut in die Hände und rief den Überlebenden zu:
»Also los. Es wartet Arbeit auf uns.« Die Arbeiter der Wasserminen machten sich daran, den Verletzten erste Hilfe zu leisten. Die erschöpften und untröstlichen Tamblyn-Brüder stützten nur teilweise zerstörte Gebäude ab und verwandelten sie in provisorische Unterkünfte.
Ein großer Eisbrocken löste sich aus der Decke und stürzte ins metallgraue Meer. »Cesca, wir müssen diesen Ort schützen, bis wir alle in Sicherheit bringen können«, sagte Jess plötzlich. »Viele von ihnen sind verletzt.« Er ergriff ihre prickelnde Hand. »Ich zeige es dir.«
Jess schob Kummer und Ungewissheit beiseite, konzentrierte sich auf die Schäden und zeigte Cesca, wie sie ihre neue Kraft nutzen konnte, um die größten Risse in der Decke zu schließen. Mit hoher Konzentration und gelegentlichen Handbewegungen ließ Jess Haufen aus herabgefallenem Eis verdampfen.
Er konnte keine andere lebende Person berühren und machte sich deshalb daran, die Leichen zum Rand des jetzt wieder ruhigen Meeres zu bringen. Bevor er sie anfasste, zögerte er und fragte: »Könnte ich sie mit einem verdorbenen Wental infizieren?« Nach dem, was mit seiner Mutter ge- schehen war, wollte er vorsichtig sein.
Das wird hier nicht geschehen, hörte er die Stimme der Wentals in seinem Kopf. Es wird nicht noch einmal passieren.
Jess blickte auf einen bleichen, zusammengekrümmt daliegenden Mann
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