Von Feuer und Nacht
anzuhören. Die Wentals sind nicht ausgerottet, wie wir glaubten, und die Menschen belästigen uns nach wie vor. Ein größerer Krieg verlangt unsere Aufmerksamkeit.«
Jora'h trat die Treppe hinunter und blieb direkt vor der Ambientalzelle stehen. Seine Stimme war fest, aber Osira'h spürte die Furcht in ihm. »Vor langer Zeit haben wir vereinbart, gegenseitig auf Feindseligkeiten zu verzichten. Eine solche Abmachung müssen wir auch jetzt treffen, wie im letzten Krieg. Es könnte Sie vor einer Niederlage im Kampf gegen die Faeros bewahren.«
»Sie können nichts für uns tun. Wir brauchen keine ildiranische Hilfe. Wir sind stark genug gegen die Faeros - ob Sie gegen uns kämpfen oder nicht.« Osira'h fühlte ein Tauziehen im Kopf - auf der einen Seite der Hydroger, auf der anderen der Weise Imperator. Sie beschloss, aktiv zu werden, fügte dem Selbst des Gesandten einen eigenen Gedanken hinzu und verlangte von ihm, eine Alternative für die Auslöschung des ildiranischen Volkes anzubieten. Die Gestalt in der Ambientalzelle schwankte kurz und sagte dann: »Alle Felsbewohner stören das Lied des Universums. Unnötige Noten müssen entfernt werden, doch zuvor gilt es, dissonante Töne zu eliminieren.« Der Hydroger zögerte, als ihm etwas einzufallen schien. »Ildiraner können uns nicht gegen die Faeros helfen, wohl aber gegen andere unbedeutende Felsbewohner.«
Jora'h beobachtete den Gesandten und wartete auf eine Erklärung.
»Unter den Felsbewohnern sind die Menschen unsere größten Feinde.« Dunstschwaden umwogten den Hydroger. »Helfen Sie uns dabei, sie alle zu vernichten. Dann schenken wir Ihren Welten vielleicht keine Beachtung.« Osira'h war nie auf der Erde oder Theroc gewesen, hatte nie andere Menschen kennengelernt als die Nachkommen der Burton-Kolonisten auf Dobro. Aber ihre Mutter stammte aus jenem Volk! Im mentalen Äther sendete sie dem Hydroger ein scharfes Nein!, doch er wehrte es ab. Jora'h erbebte. »Die Menschen haben uns nie geschadet! Sie sind unsere Verbündeten.«
»Die Menschen sind Feinde der Hydroger. Sie können nicht mit beiden verbündet sein. Wählen Sie.«
Osira'h starrte ihren Vater an, aber seine Aufmerksamkeit galt allein der schrecklichen Wahl, die er treffen musste - er war zwischen Ehre und Überleben hin und her gerissen. Sie hob den Blick zur Kuppel der Himmelssphäre und stellte fest, dass die Kugelschiffe tiefer sanken. Mit einer so tödlichen Armada konnten die Hydroger Mijistra vernichten, bevor Adar Zan'nh in der Lage war, mit seiner Flotte einzugreifen.
Doch die Auslöschung der Menschheit ... Osira'h hätte ihren Vater am liebsten gebeten, das Anliegen der Hydroger abzulehnen. Sie wusste so wenig über sein wahres Wesen. Ihre Erfahrungen beschränkten sich auf die Zuchtlager, auf den Unterricht des Designierten Udru'h, und auf Niras Erinnerungen. Sie wusste, dass die Ildiraner viele Geheimnisse hüteten und oft logen, direkt und indirekt. Der Verrat schien ihnen leicht zu fallen.
Würde ihr Vater nachgeben und sich bereit erklären, ein anderes Volk zu vernichten, um das eigene zu retten? Jetzt musste er Farbe bekennen und zeigen, ob er an Prinzipien festhielt oder sich durch Drohungen dazu bringen ließ, Freunde zu verraten. Osira'h versuchte, seine Gedanken mit ihren eigenen zu beeinflussen: Wie stark sind deine Überzeugungen, Vater? Bist du eine gute Person, oder bedeutet dir Ehre ebenso wenig wie dem Designierten Udru'h?
Das Oberhaupt des Ildiranischen Volkes musste einen anderen Weg finden. Osira'h hatte ins Bewusstsein der Hydroger gesehen. Sie kannte die starren Denkmuster der Fremden und ihre gewaltige Feuerkraft. Trotzdem glaubte sie, dass sich ein wahrer Weiser Imperator dem Feind gegenüber behaupten sollte. Würde Jora'h seine Tochter enttäuschen?
In einem neuen Bilderstrom sah Osira'h, wie ihre Mutter diesen Mann in den Armen gehalten, seinen Versprechungen zugehört und auf seine liebevollen Worte reagiert hatte. War das alles gelogen gewesen? Der Mann, den Nira geliebt hatte, würde sich nie einer Drohung beugen, das nicht einmal in Erwägung ziehen. Osira'h dachte an Theroc, sah in der von Freude geprägten Vergangenheit ihrer Mutter die großen Weltbäume, die Kameradschaft von grünen Priestern und die Geheimnisse des Weltwalds. Dann stellte sie sich vor, wie all das vernichtet wurde, durch Jora'hs Schwäche.
Der Weise Imperator stand vor dem Gesandten der Hydroger, während hunderte von Kugelschiffen am Himmel über ihm schwebten, und
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