Von Feuer und Nacht
OSIRA'H
Nach Beendigung ihrer Mission wurde Osira'h nicht mehr auf Ildira gebraucht. Ihr Vater hatte sie nach Dobro zurückgeschickt, damit er unbemerkt von ihr an seinen Plänen gegen die Hydroger arbeiten konnte. Die Splitter-Kolonie sah genauso aus wie in ihrer Erinnerung: eine ildiranische Stadt, grasbewachsene Hügel, das umzäunte Zuchtlager. Aber sie war jetzt anders. Osira'h hatte eine Begegnung mit den Hydrogern hinter sich und gesehen, wie sich der Weise Imperator ihren schrecklichen Forderungen fügte. Das ganze Universum schien sich verändert zu haben. Wie so oft zuvor... Und es würde sich erneut ändern.
Im dunstigen Sonnenschein von Dobro machten sich Ildiraner des Arbeiter-Geschlechts daran, den Shuttle zu entladen. Von Bord gegangene Wächter umgaben Osira'h, die sich wie ein Fels in der Brandung fühlte. Sie sah sich um und bemerkte den Designierten Udru'h, der ihr entgegenkam. »Osira'h, es freut mich, dass du nach Dobro zurückgekehrt bist!«
Als sie ihn sah, fühlte sie sich innerlich hin und her geris sen. Ein Teil von ihr verband angenehme Erinnerungen mit dem Designierten und sah ihn als eine Art Vater. Er hatte sich um sie gekümmert und hart mit ihr gearbeitet, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden konnte. Sie wünschte sich sehr, seinen Erwartungen zu entsprechen, ihn nicht zu enttäuschen. Doch die kristallklaren Erinnerungen ihrer Mutter erfüllten sie mit Abscheu. Nira kannte Udru'hs böse Seite; durch ihn hatte sie sehr gelitten, an Körper und Geist.
Der Designierte kam näher, und Osira'h fragte sich, ob er Wärme zeigen und sie umarmen würde. Und wie würde sie darauf reagieren? Doch er blieb zwei Schritte vor ihr stehen. Die Worte platzten regelrecht aus ihm heraus. »Wir haben erfahren, dass du erfolgreich gewesen bist.« Sein Gesicht zeigte tiefe Zufriedenheit. »Ich möchte mehr darüber erfahren.« Osira'h sah ihn an und spürte tief in ihrem Innern das Feuer von Feindseligkeit und sogar Hass. Am liebsten hätte sie gerufen: Ich habe getan, wozu du mich ausgebildet hast. Ich bin der Aufgabe, für die ich geboren wurde, gerecht geworden. Ich habe meine besonderen Fähigkeiten benutzt, um mit den Hydrogern zu kommunizieren. Ich habe ihnen mein Selbst geöffnet und eine Brücke geschaffen, und jetzt bin ich auf Dauer mit ihrem fremden Denken verbunden. Ich kriege sie nicht mehr aus dem Kopf.
Und ich habe die Hydroger nach Mijistra gebracht, damit der Weise Imperator mit ihnen sprechen konnte. Ich habe all das getan, was du von mir erwartet hast aber mein Vater, das Oberhaupt unseres Volkes, konnte nicht mit den Hydrogern verhandeln. Er hatte ihnen nichts entgegenzusetzen. Sie drohten Ildira mit Zerstörung, und der Weise Imperator gab nach. Er ließ sich auf ein schreckliches Abkommen ein, das die Ildiraner für immer verdammen und das Volk meiner Mutter auslöschen wird!
Doch Osira'h brachte es nicht fertig, diese Worte an den Dobro-Designierten zu richten. Stattdessen antwortete sie schlicht: »Ich bin erfolgreich gewesen. Was gibt es sonst zu erzählen?« Sie wusste, dass sie ein Werkzeug gewesen war, ihr ganzes Leben lang.
Udru'h bemerkte die Schärfe in ihrer Stimme, und ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Sag mir, was geschehen ist. Hat Jora'h mit den Hydrogern gesprochen?«
Mit knappen Worten und ohne unnötige Details berichtete Osira'h von den Gesprächen ihres Vaters mit dem Gesandten der Hydroger und wies auch auf die Vereinbarung hin. Udru'h schien sich nicht daran zu stören. Offenbar erleichterte es ihn, dass die Ildiraner überleben konnten. Nur darum ging es ihm.
Er streckte die Hand aus und legte sie Osira'h auf die Schulter. »Du hast viel durchgemacht. Deine Begegnung mit den Hydrogern muss sehr schwer gewesen sein, aber du verstehst sicher, dass sie nötig war.«
Osira'h wählte ihre Worte so, dass sie keine Zustimmung zum Ausdruck brachten. »Du hast mir meine Pflichten erklärt, Designierter.«
Udru'h lächelte unsicher. »Dein Quartier in Mijistra war bestimmt viel eleganter als diese bescheidenen Behausungen, oder?«
Osira'h wandte den Blick ab. »Der Weise Imperator hat mich zurückgeschickt. Er wollte, dass ich in Sicherheit bin, fernab des Prismapalastes - bei meiner Mutter. Wann kann ich zu ihr?«
»Deine Mutter ... ist nicht hier.« Udru'h zögerte, überrascht von den unerwarteten Worten. »Du musst dich noch ein wenig gedulden.«
Osira'h hätte am liebsten geschrien. Eine weitere Lüge! Entweder hatte ihr Vater sie belogen,
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