Von Feuer und Nacht
seit seiner Ankunft wie ein gebrochener Mann gewirkt. Jora'h erinnerte sich an Niras starke Verbindung mit ihrem Schössling und glaubte zu verstehen, warum es dem grünen Priester so schlecht ging. Er verglich ihn mit einem Ildiraner, der an völliger Isolation litt, ohne die beruhigende Präsenz des Thism. Wie konnte er kein Mitleid empfinden? Kolker stand auf und sah ihn aus blutunterlaufenen Augen an. »Bitte. Ich muss das Bewusstsein des Weltwalds berühren. Ohne den Telkontakt bin ich völlig blind.« Er deutete kurz auf Yazra'h. »Sie glaubt, ich wollte Sie verraten, aber es geht mir nur darum, einen Kontakt mit den Bäumen herzustellen. Das ist alles.«
Der Weise Imperator musterte den grünen Priester. Log er, oder war er einfach nur naiv? »Der Kontakt mit den Weltbäumen würde ein Signal übermitteln. Alle anderen grünen Priester würden Ihr Wissen teilen.«
»Nein, so funktioniert das nicht. Und außerdem weiß ich gar nichts.«
»Sie wissen, dass Sie noch leben, wie auch die als tot geltenden Arbeiter der Himmelsmine. Sie wissen, dass wir Sie nicht heimkehren lassen. Und Sie haben die Hydroger-Schiffe über Mijistra gesehen. Diese Informationen dürfen die Menschen nicht erreichen. Das Ildiranische Reich kann das nicht riskieren.« Jora'h fühlte einen Knoten in der Brust und hörte ein geistiges Echo der unredlichen Pläne seines Vaters. »Ich bedauere, wozu ich gezwungen bin, aber mir bleibt keine Wahl. Es war nie meine Absicht, Sie hier festzuhalten.«
»Dann lassen Sie uns frei! Wir sind keine Gefahr für Sie.«
Der grüne Priester verstand tatsächlich nicht. Jora'h winkte. »Ergreift ihn.« Zwei Wächter erschienen zu beiden Seiten des grünen Priesters und griffen nach seinen Armen. Er leistete keinen Widerstand.
Yazra'h warf das lange, kupferrote Haar zurück und sah ihren Vater an.
»Ich werde zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen. Dies darf sich nicht wiederholen.«
»Es wird nicht nötig sein.« Jora'h schloss die Augen und traf eine Entscheidung. »Ich habe eine bessere Lösung.«
Er nahm den Topf aus dem Alkoven, betrachtete die so zart wirkenden Blattwedel und staunte darüber, dass eine kleine Pflanze so enorme Auswirkungen haben konnte. Hier gab es eine Macht, die weder er noch irgendein anderer Ildiraner verstand. Jora'h erinnerte sich an den Besuch der Königin Estarra, zusammen mit König Peter und dem Vorsitzenden Wenzeslas. Es war ihm eine Ehre gewesen, den Schössling als Geschenk zu erhalten. Jetzt erkannte er die Gefahr darin.
Schwarze Messer des Kummers bohrten sich ihm ins Herz, als er den kleinen Baum zum hohen Balkon trug. Er trat nach draußen, dorthin, wo das Licht besonders hell war und ihm der Wind übers Gesicht strich. Sein langer Zopf zuckte.
Hinter ihm stand Kolker zwischen den beiden Wächtern, die ihn an den Armen festhielten, und fragte mit wachsendem Entsetzen: »Was haben Sie vor?«
Vom hohen Balkon hatte man eine prächtige Aussicht auf die glitzernde Skyline aus großen Gebäuden und Türmen. An diesem Ort hatte Jora'h mit Nira gestanden. Die schöne grüne Priesterin hatte gelacht und darauf hingewiesen, dass sie durch die leichte Krümmung des Balkons und die transparenten Bodensegmente den Eindruck gewann, in der Luft zu schweben. Jora'h vermisste sie sehr. Er hoffte, dass Nira und Osira'h jetzt zusammen waren - und dass beide ihm verzeihen konnten.
Als er über die Stadt blickte, dachte er vor allem an die Drohung der Hydroger, das ganze Ildiranische Reich zu vernichten. Bis er eine Möglichkeit fand, die Fremden zu besiegen, musste er ihren Forderungen nachgeben, so sehr er sich dafür auch verabscheute. Die Menschen durften nichts davon erfahren.
Er hob den Topf mit dem Schössling. Kolker schrie. »Nein! Bitte nicht!« Jora'h durfte sich nicht umstimmen lassen. Erneut fühlte er das Stechen von Kummer, als er den Topf fallen ließ. Vom Wind erfasst drehte er sich mehrmals, bevor er tief unten aufs Pflaster prallte und zerbrach.
Jetzt gab es keine Schösslinge mehr auf Ildira. Die Gefahr war beseitigt. Jora'h hörte Kolkers Schluchzen, drehte sich aber nicht zu ihm um. »Bringt ihn zu den anderen Menschen zurück. Wir müssen uns jetzt keine Sorgen mehr machen.«
Seine Augen füllten sich mit heißen Tränen. Lange Zeit blickte er über die Stadt, ohne etwas zu sehen. Erneut wünschte er sich, Nira wäre bei ihm gewesen. Hätte sie ihn für das gehasst, was er gerade getan hatte? Wie viel würde ihn dies alles kosten?
Mit jedem
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