Von Flammen verzehrt
gefallen?“
Bocca della Verità
Als Julien auch an diesem Morgen wieder aus Fays Zimmer kam, sagte niemand mehr etwas dazu, aber die mürrischen Blicke seiner Brüder zeigten ihm dennoch ihr Missfallen.
„Hast du dir schon überlegt, was wir nun mit dem Wanderer machen, oder warst du zu beschäftigt …“
Mit einer Handbewegung schnitt Julien Lamar das Wort ab.
„Im Gegensatz zu dir kann ich zwei Dinge auf einmal tun, darum habe ich zumindest eine Idee. Nur wundert es mich, dass er uns während des Tages treffen will. Der Platz vor der Kirche Santa Maria in Cosmedin ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, und es wimmelt dort von Touristen.“
„Heute nicht“, widersprach Cruz. „Ich war schon sehr früh heute Morgen dort, um nach einem guten Versteck für Lamar und mich zu sehen. Nach Gabriels Tod werde ich euch keinesfalls allein gehen lassen.“
„Was meinst du mit heute nicht ?“, hakte Julien nach, und auch Lamar horchte auf.
„Anscheinend gab es eine Terrorwarnung oder eine Bombendrohung, die seitens der Stadt sehr ernst genommen wird. Große Teile des Palatino sind bis ein ganzes Stück südlich des Circo Massimo gesperrt. Hundestaffeln der Polizei durchkämmen das historische Gelände“, berichtete er. „Ihr wisst, was das bedeutet, oder?“
Julien biss die Zähne zusammen und unterdrückte einen Fluch, als Fay die Treppe herunterkam. Ihr Haar war noch feucht von der Dusche. Er wünschte nicht zum ersten Mal, er hätte sie in Paris zurückgelassen.
„Was bedeutet das?“, fragte sie und griff sich ihre Zigaretten.
„Es bedeutet, dass der Wanderer nichts dem Zufall überlässt. Er ist vorbereitet.“
„Aber wie sollen wir zum Mund der Wahrheit gelangen, wenn alles abgesperrt ist?“
„Wir versuchen unser Glück über die Ponte Palatino . Die Brücke liegt übrigens ganz in der Nähe eines Tempels, der dem Gott Apollon gewidmet war.“
„Und? Was hat das mit dem Wanderer zu tun?“, fragte Fay verwirrt.
„Vermutlich nichts, aber schon des Öfteren fiel der Name Apollon im Zusammenhang mit dem Wanderer, sodass manche nicht mehr an einen Zufall glauben.“
„Ihr glaubt also, er will uns genau dort haben?“
„Ja, das fürchte ich“, gestand Julien und fasste sich an die Lederstulpen, die unter dem Hemd, das er trug, nicht zu sehen waren. Aber, auch wenn der Wanderer sie zu sehen bekäme, würde er nicht ahnen, dass sie den Stahl der Klingen am Ende in Rubinstaub gehärtet hatten.
„Lamar! Gib Fay einen Dolch. Ich will, dass sie sich verteidigen kann“, verlangte er.
„Sie wird sich eher selbst damit verletzen“, warnte Lamar, erntete dafür von Julien einen bösen Blick. Ungeduldig riss dieser ihm die Waffe aus der Hand.
Julien sah Fay tief in die Augen und beschwor sie: „Wenn er dir zu nahe kommt … zögere nicht! Schon eine kleine Wunde wird ihn vernichten, also hab keine Angst.“
Fay war nach den beinahe zwei Tagen in Alessas finsterer Wohnung von der Mittagssonne wie geblendet. Ihr war heiß, und sie schwitzte, als sie sich vom Stadtteil Trastevere dem Tiber näherten, um dort, wie Julien vorgeschlagen hatte, den Fluss zu überqueren.
Cruz wartete auf der anderen Seite im Wagen, und Lamar wollte eine Brücke weiter südlich bis hinter den Circo Massimo gelangen, um sich von dort unauffällig zu nähern.
Die Sirenen der Polizeiwagen klangen mal nah, dann wieder weiter entfernt, und Fay fragte sich, wie es ihnen gelingen sollte, den Mund der Wahrheit zu erreichen. Vor der Brücke stand ihnen die erste Polizeiabsperrung im Weg, aber es war kein Problem, das einfache Straßenschild zu ignorieren.
„Der Bereich ist zu groß, als dass sie ihn überall effektiv abriegeln könnten. Ich rechne am Colosseum mit der größten Polizeidichte“, erklärte Julien und führte sie über die Brücke.
„Hast du Angst?“, fragte er, und Fay fühlte sich gleich besser, als er ihre Hand ergriff.
Hatte sie Angst? Natürlich! Alles, was sie bisher in Rom erfahren hatte, war dazu gemacht, die größte Angst ihres Lebens zu wecken. Ermordete Frauen, eine entführte Schwester und ein unsterblicher Psychopath, der sogar halb Rom in Angst und Schrecken versetzen konnte.
Trotzdem verspürte sie in Juliens Nähe eine Sicherheit, wie nie zuvor in ihrem Leben. Ihr kam es fast vor, als hätte sie mit ihrer Abreise aus Paris ihr ganzes furchtbares Leben hinter sich gelassen. Sie hätte sich Sorgen machen müssen. Sorgen um ihre kleine Wohnung über der Reinigung und
Weitere Kostenlose Bücher