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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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war, dass die Sache kaum etwas mit mir zu tun haben konnte. Als Eves Blick und meiner sich kreuzten, musste ich mich krampfhaft anstrengen, nicht davonzurennen.
    »Mike und ich hatten heute Morgen einen Streit«, sagte sie. Die Verkrampfung in mir löste sich.
    »Wenn deine Mutter nicht –«, setzte Mike an.
    Eve starrte ihn feindselig an, ihre Hände umklammerten die große Teetasse. »Willst du jetzt wieder damit anfangen?«
    Er starrte feindselig zurück, und es dauerte eine Ewigkeit, bis er schließlich als Erster aufgab und sich umwandte, um Wasser für einen frischen Tee aufzusetzen. Eve seufzte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn, während Mike herumlärmte, eine Tasse aus dem Schrank holte und mit solcher Wucht auf der Küchentheke absetzte, dass es mir ein Rätsel war, wie sie dabei nicht zerbrechen konnte.
    Dann blickte Eve wieder zu mir. Sie wirkte erschöpft. Wenn Juliet da gewesen wäre, hätte sie gewusst, was man in einer solchen Situation tat. Sie hätte sich zu ihr heruntergebeugt, hätte sie umarmt und ihr gesagt, dass alles wieder gut werden würde. Aber ich war nur eine Fremde. Ich blickte Eve an und fingerte an einem losen Knopf meiner Jacke herum.
    »Wir hatten einen Streit.« Eve seufzte wieder. »Nancy hat alles mitbekommen. Sie wurde unglaublich wütend und ist davongerannt. Wir wissen nicht, wo sie ist, und sie geht auch nicht an ihr Handy.«
    Ich blickte zu Mike. Er kehrte uns immer noch den Rücken zu. Meine Nerven lagen blank, als ich ihn dabei beobachtete, wie er mir einen Tee zubereitete, den ich gar nicht wollte. Ich hatte ihn noch nie so erlebt, so angespannt und explosiv. Ich hatte beide noch nie so erlebt. Ich kannte sie immer nur freudestrahlend und glücklich. Deshalb verstand ich sofort, warum Juliet total ausgeflippt war. Ich war auch kurz davor, durchzudrehen.
    Wahrscheinlich hätte es in mir ein Hochgefühl hervorrufen sollen, dass Juliet ganz außer sich davongestürmt war. Dass sich in ihrem perfekten kleinen Leben ein Riss gezeigt hatte. Aber dem war nicht so. Doch dann stellte ich mir vor, wie sie sich gerade an Sids Brust schmiegte, während er ihr tröstend über die Haare strich, und etwas in mir verhärtete sich wieder.
    »Okay«, sagte ich mit einem Seufzer. »Ich glaub, ich weiß, wo sie ist. Ich kümmere mich drum.«
    Eves Miene hellte sich auf. »Wirklich? Würdest du das tun? Oh, danke dir, Rose.«
    Als ich zu Mike blickte, merkte ich, wie er sich entspannte.
    »Danke, Ro«, sagte er, noch während er sich zu mir umdrehte.
    »Kein Grund zur Sorge«, beteuerte ich fröhlich und machte mich auf den Weg.
    Sobald ich auf der Straße war, rief ich Juliet an. Und sie war auch gleich dran, was ich gar nicht erwartet hatte.
    »Alles in Ordnung bei dir, Nance?«
    »Warst du dort?«, fragte sie. Sie sagte immer »da« oder »dort«, niemals »zu Hause«.
    »Ja. Was ist passiert?«
    Ich hörte sie schniefen. »Sie hatten einen Streit. Es war grässlich, Rose.«
    »Worum ging’s denn?«
    »Keine Ahnung. Ich war in meinem Zimmer und hörte Mike laut schimpfen und brüllen. Er hat Eve fürchterlich angeschrien, Rose.« Sie hielt kurz inne, um einen Schluchzer zu unterdrücken. Es klang, als sei etwas in ihr zerbrochen. »Hättest du gedacht, dass er so jähzornig sein kann? Ich hab geglaubt, gleich schlägt er sie.«
    Ich lachte auf. »Das würde er doch nie tun.«
    »Du hättest ihn hören sollen, Rose.«
    »Wo bist du? Ist Sid bei dir?«
    »Nein. Ich bin allein.«
    Das hatte ich genauso wenig erwartet. »Was? Warum hast du ihn denn nicht angerufen?«
    »Ich bin so durcheinander«, sagte sie schniefend. »Ich will nicht, dass er mich in diesem Zustand sieht.«
    Dafür hätte ich sie bewundern müssen; dass sie nicht gleich schluchzend zu ihm gerannt ist, um sich von ihm trösten zu lassen, wie das die meisten Mädchen getan hätten. Dass sie sich ihm nicht an die Brust warf und auf Rettung hoffte. Aber ich hasste sie dafür nur umso mehr. Weil sie Sid hatte, ohne zu glauben, dass sie ihn auch wirklich brauchte.
    »Wo bist du?«
    »In der Buchhandlung.«
    Als ich in die Buchhandlung kam, saß sie dort vor dem Lyrikregal auf dem Boden. Eine echte Freundin hätte ihr einen Becher grünen Tee mitgebracht, aber ich setzte mich einfach nur neben sie.
    »Hallo«, sagte sie, als sie mich sah. Sie wirkte erleichtert, und ich wappnete mich schon, jetzt womöglich gleich von ihr vollgeschluchzt zu werden. Das kann ich nämlich nicht besonders gut, mich vollschluchzen lassen.

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