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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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danach in ihrem Zimmer ins Regal, und als sie kurz nach unten in die Küche verschwand, steckte ich es ein. Ein paar Tage später fragte sie mich, ob ich es wohl zufällig gesehen hätte. Vielleicht hätte sie es ja aus Versehen in eine meiner Tüten gesteckt.
    Ich runzelte die Stirn. »Aber ich erinnere mich gar nicht mehr daran, dass wir dort zusammen waren. Bist du dir sicher, dass es nicht mit Sid war?«
    Da geriet sie ins Grübeln, ich sah, wie ihre Stirn sich in Falten legte. Ich frage mich, ob sie wohl allmählich der Meinung war, dass Fremde ihr Zimmer betraten, dass Mike ihre CD s durchforstet hatte oder dass Eve sich von ihr manchmal heimlich etwas lieh, wie zum Beispiel ihren gelben Schal.
    Sie muss geglaubt haben, dass sie langsam verrückt wurde.
    Einmal habe ich sie sogar Juliet genannt. Ich erinnere mich noch daran, wie viel Schiss ich dabei hatte. Das Herz klopfte mir bis zum Hals – tut es heute noch, während ich dies schreibe. Wir waren in einem Pub in Camden. Sid und ich spielten Darts, und er entschuldigte sich andauernd bei allen Umstehenden, wenn ich mal wieder mit einem Pfeil weit neben das Ziel getroffen hatte. Einmal hätte ich fast einen älteren Mann an der Bar erwischt, der dort Zeitung las. Der Mann reagierte darauf ziemlich verärgert, und Sid war aufgesprungen und zu ihm gegangen, um sich für mich zu entschuldigen. Juliet war gerade auf der Toilette gewesen, deshalb schweifte ihr Blick suchend umher, als sie zurückkam und Sid auf einmal nicht mehr da war.
    »Oh, Juliet«, sagte ich mit einem Seufzer und ließ den Namen eine Weile zwischen uns in der Luft schweben, bevor ich mich zu ihr beugte und flüsterte: »Vermisst du deinen Romeo?«
    Sie versuchte zu lächeln, aber ich sah es.
    Ich sah es.
    Am nächsten Tag schickte ich ihr Blumen – einen Strauß rosa Rosen. Es war ihr Geburtstag; nicht Nancys, sondern Juliets. Der 2 . Oktober. Sie erzählte mir einmal, dass ihre Eltern ihr früher jedes Jahr zum Geburtstag einen Strauß rosa Rosen geschenkt hatten – natürlich wusste ich, dass nur ihr Vater sie ihr geschenkt hatte –, und stell dir ihr Gesicht vor, als Mike mit den Blumen zu ihr und mir ins Zimmer kam. Als sie zwischen den Rosen hektisch nach einer Karte suchte und dabei die rosa Blütenblätter auf ihrem Bett verstreute, fragte ich sie natürlich, ob denn irgendwas sei.
    »Nichts«, stieß sie hervor. »Nichts.«
    Doktor Gilyard hat mich ja einmal gefragt, ob es mir denn auch Spaß gemacht hätte, Rose Glass gewesen zu sein. Wie hätte ich keinen Spaß daran haben können? Spaß daran, Juliet mit Fragen zu löchern: Ob sie ihre Eltern sehr vermisse, ob Eve die Schwester ihrer Mutter sei, warum sie denn nicht manchmal noch ihre alten Freundinnen traf. Rose fragte und fragte und fragte, bis Juliet wie ein Fisch am Haken zu zappeln anfing und mit einem tapferen Lächeln das Thema wechselte.
    Aber als ich sie dann das erste Mal weinen sah, war es nicht ganz so befriedigend, wie ich gedacht hatte.
    Wenn ich mich hier als der große Bösewicht aufführen wollte – die Tochter des berüchtigten Unterweltbosses –, dann würde ich das wahrscheinlich jetzt nicht zugeben. Ich würde schreiben, dass es mich mit großer Befriedigung erfüllte, sie weinen zu sehen. Dass es mich erst recht bestärkt hätte. Doch so war es nicht.
    Es war an einem Sonntag. Ich war sonntags immer bei ihr zum Mittagessen eingeladen, doch als Mike diesmal die Tür aufmachte, wirkte er überrascht, mich zu sehen. Er ließ mich dann zwar hereinkommen, aber in der Küche roch es nicht nach Essen. Keine Töpfe auf den Herdplatten, keine Gizzadas im Ofen, kein Kokos- und Ingwerduft. Eves Mutter war auch nicht da und fuhrwerkte mit den Bratkartoffeln herum oder salzte bei der Soße nach. Eve selbst saß am Küchentisch und starrte auf eine Tasse Tee. Ganz offensichtlich hatte sie nicht vor, ihn zu trinken. Ich konnte sehen, dass sie geweint hatte.
    »Was ist passiert?«, fragte ich, und das Herz sackte mir in die Kniekehlen.
    Einen Augenblick lang dachte ich, dass es das nun gewesen sei. Das Schwert, das dauernd über mir schwebte, würde jetzt auf mich herabsausen. Sie wussten alles. Ich war schon darauf gefasst, dass Mike mich gleich am Arm packen und mich schütteln würde. Dass er mich anbrüllen würde, er wüsste, wer ich sei.
    Aber er seufzte nur. »Nichts.«
    »Es ist nicht nichts geschehen«, erwiderte Eve heftig.
    Ich hatte einen hochroten Kopf bekommen, obwohl mir inzwischen klar geworden

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