Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
Vom Netzwerk:
Champagnerflasche auf einem Ladenschild, die Aufkleber an den Laternenpfählen. Alles meins. Die Geschäfte, die Häuser, die Autos. Alles gehörte mir.
    Doch dann fuhr ein Nachtbus an mir vorbei, und ich bemerkte kleine Lebenszeichen. Ein Hund bellte, auf einem Mäuerchen stand ein halb ausgetrunkenes Glas. Eine Polizeisirene zerfetzte irgendwo die Stille. Und dann hörte ich auf einmal ein Auto, erst hinter mir, dann neben mir, und drehte den Kopf.
    An wenige Augenblicke in meinem Leben erinnere ich mich mit solch absoluter Klarheit wie an diesen. Ich erinnere mich noch genau an das Auto, einen silberfarbenen Ford, schmutzig, mit einem Kettchen, das am Rückspiegel baumelte. Ich erinnere mich noch genau an den Mann, wie er das Fenster herunterkurbelte und mich anlächelte. Und ich erinnere mich an die Angst, die ich auf einmal tief, tief drinnen in meinen Knochen sitzen spürte. Ich drehte den Kopf weg.
    »He, Süße, soll ich dich mitnehmen?«, fragte er. Ich konnte die Hitze in seiner Stimme spüren – die Gier – und wollte wieder allein sein. Nur mich und London sollte es geben.
    »Ein so hübsches Mädchen wie du sollte nicht so spät allein unterwegs sein«, fügte er hinzu, als ich nicht antwortete. Zu dem Satz gehörte eine zweite Hälfte, aber als er nicht fortfuhr, war es fast noch schlimmer, weil ich dann selbst das Ende dazudenken musste. Ich musste es selbst vorwegnehmen.
    »Ich will nur zur Tanke da vorn«, sagte ich.
    »In die Richtung fahr ich auch. Steig ein.«
    Er hatte einen auffälligen Akzent, daran erinnere ich mich noch genau. Ich würde ihn sofort wiedererkennen. Er trug eine schwarze Lederjacke, das hatte ich im Bruchteil einer Sekunde gesehen. Eine Lederjacke mit einem Riss im Ärmel. Es gibt Mädchen, mit denen ich in eine Klasse gegangen bin, und Lehrer, die ich jahrelang hatte, bei denen ich mich nicht mal mehr an den Namen erinnere. Aber diesen Riss im Ärmel werde ich nie vergessen. Nie. Er ist wie ein Riss in meinem Gehirn.
    »Danke, ich bin fast da.«
    »Steig schon ein, Süße. In einer Minute hab ich dich hingebracht.«
    Erleichtert sah ich die gelben Lichter der Tankstelle aufleuchten. Wenn ich schnell losrannte, konnte ich es schaffen. Aber es war an der Hauptstraße, und er fuhr in seinem Auto dicht neben mir. Wenn es eine der Wohnstraßen gewesen wäre, hätte ich wenigstens noch die geparkten Autos zwischen ihm und mir gehabt.
    »Ich hab doch schon gesagt, dass ich nicht will«, erwiderte ich und versuchte dabei, hart und entschieden zu klingen. Ich brachte es nicht fertig, ihn dabei anzusehen.
    »He, was ist denn dein Problem? Ich will dir nur helfen, Süße. Kein Grund, mich gleich so anzufahren.«
    Ich hörte die Veränderung in seiner Stimme – die Drohung – und fuhr mit den Händen in die Hosentaschen, um dort irgendwas zu suchen, womit ich mich verteidigen konnte, mein Handy, einen Schlüssel, einen Stift, irgendwas. Doch meine Hosentaschen waren leer. Noch nicht mal den Geldbeutel hatte ich eingesteckt.
    »Danke, ich gehe lieber zu Fuß. Ich brauch etwas frische Luft«, sagte ich, diesmal in höflicherem Tonfall. Keine Ahnung, was ich mir davon versprach, aber ich spürte mein Herz klopfen und wollte ihn nicht auch noch provozieren.
    Es schien zu funktionieren, denn seine Stimme klang wieder weicher und wie mit rosa Zuckerperlen bestreut. »Komm schon, Schätzchen, steig ein. Es ist arschkalt, und du hast nicht mal ’ne Jacke an.«
    »Danke, aber geht schon.«
    Ich hörte ihn einen Seufzer ausstoßen. Das Auto stoppte neben mir. Als ich den Kopf drehte, bemerkte ich, dass er ausstieg. Unwillkürlich wich ich zurück. »Steig jetzt verdammt noch mal in das Auto ein«, brüllte er, und ich schwöre – ich schwöre –, mein Herz klopfte in diesem Augenblick so heftig gegen meine Rippen, dass ich dachte, sie zerbrechen gleich.
    »He, he, he«, hörte ich da jemanden laut rufen, und auf einmal sprang Mike aus einem schwarzen Taxi. Ich wusste nicht, woher er so plötzlich aufgetaucht war, aber als ich ihn sah, bekam ich vor lauter Erleichterung weiche Knie.
    Der Mann warf mir über das Dach seines Autos hinweg einen Blick zu, mit dem er mich am liebsten getötet hätte, stieg dann ein und brauste davon. Ich stand reglos da und blickte den Rücklichtern nach, die in der Nacht verschwanden. Panik hallte in mir nach. Mir war klar, was gerade beinahe passiert wäre.
    »Ro«, rief Mike außer Atem. »Alles in Ordnung mit dir?« Er stand jetzt neben mir.
    Ich wandte

Weitere Kostenlose Bücher