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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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ringend auf. Die Laken klebten nass geschwitzt an meinem Körper.
    Kennst du das? Wie manchmal etwas so wehtut, dass es sich nach einer Weile fast schon wieder gut anfühlt? Zum Beispiel, wenn man mit dem Finger auf eine Narbe drückt. Das hier war das genaue Gegenteil davon: Es fühlte sich so gut an, dass es wehtat.
    Es hat so wehgetan, dass ich gedacht habe, ich müsste gleich sterben.
    Keine Ahnung, warum ich auf einmal wieder von ihm träume. Seit ich hier bin, hab ich kein einziges Mal mehr von ihm geträumt. Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass ich an ihn gedacht habe. Mich an die Party erinnert habe. Damals ist irgendetwas mit mir passiert. Etwas, das ich noch nie irgendjemandem erzählt habe. Aber ich muss jetzt die ganze Zeit darüber nachdenken.
    Ich muss es einfach aufschreiben.
    Als wir bei der Angel Station ausgestiegen sind, haben Sid und Juliet wie immer angeboten, mich noch nach Hause zu begleiten. Das haben sie natürlich nicht wirklich ernst gemeint. Seit wir gemeinsam die Party verlassen hatten, fummelten sie ständig aneinander herum. Juliet hatte ihre Hand hinten in seine Jeanstasche gesteckt, während wir mit der U-Bahn fuhren, und er musste sie andauernd irgendwo anfassen, strich ihr die Locken zurück oder befreite den kleinen silbernen Anhänger, den sie um den Hals trug – es war eine Schwalbe –, wenn er sich wieder einmal in den Maschen ihres Wollschals verhakt hatte. Sie wollten endlich zu zweit sein, das war deutlich spürbar, deshalb sagte ich hastig, dass ich ja in der entgegengesetzten Richtung wohnte und es mir nichts ausmachen würde, das Stück allein zu gehen.
    Ich hätte es nicht tun sollen, aber nach ein paar Schritten drehte ich mich noch einmal um. Sid hatte Juliet umarmt und hochgehoben und drehte sich jetzt mit ihr im Kreis. Ihre Haare flogen, und ihr Schal flatterte. Als er sie wieder absetzte, lachten sie beide – laut und fröhlich –, und ich glaube, ich habe mich noch nie in meinem Leben so allein gefühlt. Ich wartete, bis sie um die nächste Straßenecke verschwunden waren, dann heulte ich los.
    Das passierte mir damals häufig. Einen Moment war alles in Ordnung, und im nächsten musste ich so heftig schluchzen, dass ich kaum Luft bekam. Immer wieder wurde ich von Gefühlen überwältigt, die ich vergebens unter Kontrolle zu bringen versuchte. Ich zündete mir eine Zigarette an und ging rasch das letzte Stück bis zu meiner Wohnung, in der Hoffnung, es würde bald vorüber sein. Aber das war nicht der Fall, es wurde sogar immer schlimmer, und als ich vor meiner Wohnungstür stand, war ich so in Tränen aufgelöst, dass ich mit meinem Schlüssel eine Weile blind herumfuhrwerkte, bevor es mir endlich gelang, aufzusperren. Sobald die Tür dann hinter mir zugefallen war und ich mir sicher sein konnte, dass keiner mich sah oder hörte, heulte ich erst richtig los. Lauter. Verzweifelter. Ich ging von Zimmer zu Zimmer und streifte alles ab, was ich anhatte, ließ die Kleidungsstücke wie eine Fährte aus Brotkrumen auf meinem Weg hinter mir zurück – die Jacke im Flur, die Schuhe im Schlafzimmer, die Tasche in der Küche. Ich ging auf und ab, hin und her, als könnte ich es dadurch loswerden. Aber es war da.
    Da.
    Immer da.
    Als ich danach auf dem Sofa saß, wurde mir klar, dass es niemanden gab, mit dem ich reden konnte.
    Es ist ganz grässlich, siebzehn zu sein und niemanden zu haben, mit dem man reden kann. Die Leute beklagen sich darüber ja die ganze Zeit. Dass sie niemanden haben, mit dem sie reden können. Aber ich bin wirklich einsam. Sie sind es nicht. Nicht wirklich. Sie haben Freunde. Familie. Sie wollen nur nicht mit ihnen reden, das ist es. Und das ist auch der Unterschied zwischen uns. Sie sind nicht einsam, sie sind nur zu stolz, oder es ist ihnen peinlich, oder sie haben Angst davor.
    Darüber dachte ich dann eine Weile nach, und da wurde mir erst klar, in welcher beschissenen Situation ich eigentlich steckte.
    Ich kann mich nicht daran erinnern, danach die Nummer gewählt zu haben – ich glaub, ich hatte sie auf meinem Handy gespeichert –, doch ich erinnere mich daran, mich durch mehrere automatische Ansagen hindurchgekämpft zu haben, bis ich endlich bei einer menschlichen Stimme landete. Es war nur eine Telefonzentrale – im Hintergrund erklang Stimmengemurmel, bevor sich jemand meldete –, aber diese eine Stimme zu hören, einfach nur eine Stimme, war für mich schon eine Erlösung.
    »Hier ist Emily Victoria Koll. Ich möchte

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