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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caprice Crane
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nicht einmal daran, jemals hier gewesen zu sein«, sagte ich, während ich mich im Raum umsah. »Und ich bin erst vor ein paar Tagen eingeliefert worden.«
    »Ich weiß. Wir haben schon davon gehört. Das ist so schrecklich. Ich bin Paul«, sagte der Typ. »Wir – du und ich – waren in dieser Tanztherapie schon einmal Partner.«
    »Oh, waren wir das?« Ich hatte vergessen, dass ich schon einmal unter Gedächtnisverlust gelitten hatte. Oder nicht? Wenn ich Todds Geschichte glaubte, dann hätte ich es nur vorgetäuscht. Aber warum, verdammt? Warum sollte ich in einem Krankenhaus rumhängen und mit Schlaganfallsopfern tanzen wollen? Ich hatte keine Ahnung, wer ich war und/oder was mir früher Spaß gemacht hatte, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass das meine Vorstellung von Party war.
    »Es ist schön, dich wiederzusehen«, sagte er. »Du siehst gut aus.«
    »Du auch, nehme ich an.«
    Dr. Debra legte New-Age-Musik auf und bat uns, uns zu bewegen. Und das taten wir. Ich glaube, ich machte es besser als beim letzten Mal. Jedenfalls sagte das Dr. Debra.
    »Klasse, Jordan. Du bist viel lockerer. Du machst gute Fortschritte.«
    »Danke«, murmelte ich. Das war mehr als grotesk.
    »Spürt euch selbst. Spürt euch selbst von innen heraus. Bewegt euch so, wie ihr euch fühlt.« Eine der Frauen fing an zu zittern, als hätte sie einen epileptischen Anfall. Ich dachte, sie würde jetzt und hier sterben – bis mir klar wurde, dass sie sich so fühlte. Und wie es der Zufall wollte, war sie ja am richtigen Ort, selbst wenn es eine Art Anfall gewesen wäre. Jemand hätte sie dann einfach auf die richtige Etage gebracht, und man hätte sich um sie gekümmert.
    »Jordan, beweg dich!«, befahl Dr. Debra. Ich war so damit beschäftigt, die Zitternde anzustarren, dass ich vergessen hatte ›zu tanzen, wie ich mich fühlte‹. Zuerst wollte ich gar nicht. Ich war durcheinander, erschrocken, frustriert und verärgert … Doch dann – aus Gründen, die nur Gott kannte – hatte ich auf einmal Lust zu tanzen. Was ich empfand, konnte man nicht in Worte fassen, und plötzlich hatte ich den verzweifelten Wunsch, das auszudrücken. Und das tat ich. Ich tanzte. Verrückt. Wild. Hemmungslos. Ich schüttelte mich und wirbelte so sehr herum, dass mir der Schweiß in Bächen das Gesicht herunterlief und ich nasse Haare bekam. Aber das interessierte mich nicht. Ich hatte noch nicht einmal bemerkt, dass die anderen aufgehört hatten und mich beobachteten, und als mir schließlich die Puste ausging und ich bemerkte, dass sie mich anstarrten, war es mir völlig egal.
    Noch überraschender war, dass sie alle Beifall klatschten.
    »Sehr beeindruckend, Jordan«, sagte Dr. Debra. »Das ist der Durchbruch, den wir uns schon beim letzten Mal gewünscht hatten. Ich gratuliere dir.«
    Nach der Tanztherapie wurde ich auf mein Zimmer zurückgeschickt. Alle Schwestern kannten mich und begrüßten mich mit Namen, als sie an mir vorbeigingen, aber ich erkannte keine einzige.
    Ich saß in meinem Zimmer und versuchte verzweifelt, mich an irgendetwas zu erinnern. Ich versuchte mir alle Leute vorzustellen, die mich besucht hatten, und konzentrierte mich auf ihre Gesichter. Es kam nicht die kleinste Erinnerung zurück, nichts. Alles, was ich bekam, waren schreckliche Kopfschmerzen. Ich fing an, mich zu fragen, ob ich verrückt sein könnte. Ich fühlte mich nicht verrückt, aber wenn es tatsächlich wahr war, was Todd erzählt hatte – was ich immer noch nicht so recht glauben mochte –, dann konnte ja irgendetwas mit mir nicht stimmen. Wer würde schon freiwillig eine Amnesie vortäuschen?
    ***
    Ich blieb wochenlang im Krankenhaus. Der Psychologe zweifelte nicht daran, dass er mich zurückholen würde oder umkrempeln, so genau weiß ich nicht mehr, wie er sich ausgedrückt hatte. Auf jeden Fall versuchte er das von montags bis samstags in einem winzigen Büro in der siebten Etage jenseits der geschlossenen Flure der neurologischen Abteilung. Sein vorsichtiger Enthusiasmus führte dazu, dass ich mich entspannter fühlte. Und besonders an diesem Tag brauchte ich etwas Entspannung.
    Leider war er nicht da. Auf dem Flur herrschte reges Treiben – ich war auf der neurologischen Station, und es war gerade Besuchszeit. Einige der Leute hier hatten niemanden, der sie besuchte, und das waren die traurigsten von allen und die, die mich am meisten interessierten. Ich fragte mich, wie lange sie schon hier waren und warum niemand sie besuchen kam und

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