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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caprice Crane
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weshalb sie als »psychotisch« bezeichnet wurden. Was hatten sie gemacht, um in einer Nervenklinik zu landen? Und wäre es vielleicht möglich, dass eine oder mehrere Aktionen dieser Leute, so irrational sie vielleicht schienen, eigentlich normale Reaktionen auf unnormale Situationen waren? Der bloße Gedanke daran machte mir Angst. Wie konnte man ohne die schlechtsitzenden blauen Umhänge Besucher von Patienten und Zivilpersonen von Zivis unterscheiden?
    Eine Frau fiel mir besonders auf. Sie war schmuddeliger als ihre Stationsgenossen. Ihre Haut war runzlig, und ihre Haare standen in alle Richtungen vom Kopf ab. Um ihr rechtes Handgelenk war ein schmutziges graues Halstuch gewickelt. Sie murmelte etwas vor sich hin, ich konnte die Worte nur vereinzelt verstehen, aber jedes Mal, wenn sie einen Satz beendet hatte, schien sie auf eine Antwort von mir zu warten.
    »Watch what you say … calling you a radical … liberal, fanatical …«, sagte sie und warf mir einen erwartungsvollen Blick zu. Sprach sie über Politik? Hatte ihr jemand diese Dinge zugerufen? Ist sie bei einer Art politischem Protestmarsch festgenommen und hierher gebracht worden? Wenigstens hatte sie hier ein Dach über dem Kopf.
    Ich schaute weg, weil ich sie nicht so anstarren wollte, aber das schien sie umso mehr aufzuregen. Sie stand schnell von ihrem Stuhl auf, sah sich um, kam drei Schritte auf mich zu und setzte sich mir gegenüber. »Won’t you sign up your name?«, fuhr sie eindringlich fort.
    »Meinen Namen?«, fragte ich. »Man hat mir gesagt, dass ich ›Jordan‹ heiße. Und ich habe kein gutes Argument dagegen.«
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und fuhr fort: »We’d like to feel you’re acceptable … respectable … presentable, a vegetable!«
    »Okay, ein kleiner Gedächtnisverlust, schon, aber so weit würde ich nun doch nicht gehen«, sagte ich, während ich langsam einen Schritt zurücktrat.
    »Hmm …«, sagte sie. Und dann ging sie weg, flüsterte wieder vor sich hin, und ich stand da, so verloren wie immer.
    ***
    Als ich wieder in mein Zimmer kam, saß dort meine Mutter mit meinem Arzt.
    »Bevor ich Sie nach Hause entlasse, möchte ich etwas mit Ihnen besprechen«, sagte der Arzt zu uns beiden.
    »Was denn?«, fragte meine Mutter.
    »Wie ich schon sagte, es ist noch nie vorgekommen, dass jemand zweimal Amnesie hatte. Ich frage mich ernsthaft, ob das eine Reaktion auf etwas Traumatisches sein könnte und eben nicht eine Folge der Kopfverletzung, die ja in diesem Fall auch nicht sehr schwer war.«
    »Was meinen Sie?«, fragte ich.
    »Na ja, Kopfverletzungen sind bekanntermaßen unberechenbar. Die Folgen stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang zu dem sichtbaren Schaden. Sie sind schwer zu lokalisieren. Deshalb wollte ich fragen, ob es in Ihrer Kindheit irgendwelche Probleme gab, Jordan. Ist jemals irgendetwas passiert, über das Sie mit niemandem gesprochen haben?«
    »Ich … ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte ich.
    »Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte meine Mutter in einem nicht sehr freundlichen Ton.
    »Ich will auf überhaupt nichts hinaus. Ich will Ihnen lediglich nahelegen, dass Ihre Tochter möglicherweise ein traumatisches Erlebnis aus ihrer Kindheit unterdrückt.«
    »Zum Beispiel, dass ich etwas Schreckliches gesehen habe?«, fragte ich.
    »Ich meine eher, dass Sie vielleicht etwas Schreckliches, Schockierendes oder Beängstigendes erlebt haben.«
    »Ich weiß, worauf Sie anspielen, und ich kann Ihnen versichern, dass ihr so etwas niemals im Leben passiert ist«, erklärte meine Mutter. »Keine Onkel, die sie an den falschen Stellen berührt haben …«
    Der Arzt schaute mich direkt an. »Ich wollte keinen Missbrauch unterstellen, Mrs Landau. Verzeihen Sie mir, wenn das den Anschein hatte. Hier sind Sie sicher, Jordan. Sie können uns alles erzählen, und es wird Ihnen nichts geschehen.«
    »Danke«, sagte ich, »aber ich kann mich noch immer an nichts erinnern, also muss ich glauben, was meine Mutter sagt.«
    »Ich sage nur so viel«, fügte meine Mutter hinzu, »sie war immer so ein bisschen das schwarze Schaf. Verstehen Sie, nicht so wie ich. Oder ihre Schwester, Samantha.«
    »Ich habe ja nicht behauptet, dass sie keine Verletzungen erlitten hat«, sagte der Arzt. »Das hat sie ja. Aber ihr Gehirn scheint einfach dichtzumachen und zu vergessen. Diese Art der Reaktion könnte auf ein Trauma hindeuten, das Jordan vielleicht ins Unterbewusstsein eingebrannt ist. Das ist auf jeden Fall

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