Von jetzt auf gleich
irgendwas erinnern?«
»Ah … du kennst die ganze Geschichte.« Ich hatte direkt ein schlechtes Gewissen. »Kleinigkeiten. Vieles ist immer noch nicht wieder da. Die Nachbarschaft, die Kaffeemaschine und der Computer sind mir schon ein wenig vertrauter. Deshalb bin ich nicht mehr ganz so unsicher,« erklärte ich zögernd. »Aber Leute, Dinge, die passiert sind …« Ich lächelte traurig.
»Ich fühle mich schrecklich!«, sagte Travis, warf seinen Kopf zurück und blickte in den Himmel.
»Hör auf damit – es ist okay«, versicherte ich ihm.
»Hast du alles vergessen oder nur ein paar Dinge?«, fragte Ben.
»Es ist ein bisschen kompliziert«, sagte ich. »Manche Dinge sind völlig klar – Songtexte und wie man sich die Zähne putzt, aber Namen, Gesichter …«
»Na ja, ich bin sicher, dass du dein Gedächtnis schon sehr bald zurückbekommen wirst«, sagte Ben.
»Ich bin auch sicher«, sagte ich zu Ben. Ich wollte bei seinen Freunden einen guten Eindruck hinterlassen. Und log wie gedruckt. Super erster Eindruck. Ich wandte mich an Travis.
»Bitte, du brauchst dich deswegen nicht schlecht zu fühlen. Es ist ein bisschen seltsam, aber auch … unglaublich. Ich fange nochmal neu an.« Ben sah Travis an, als versuchte er, ihm etwas zu sagen.
»Kommst du mit?«, fragte ich Ben und hoffte insgeheim, dass er ablehnt. Schließlich war das ein Date, dachte ich. Und zwar eins mit richtig netter Kennenlern-Geschichte.
Wie habt ihr euch denn kennengelernt? Oh, er hat mich mit meinem Fahrrad umgefahren, weshalb ich im Krankenhaus lag. Dorthin hat er mir Blumen und Schokolade geschickt, während ich ihm ein Schädel-Hirn-Trauma und Gedächtnisverlust vorspielte
.
»Oh, nett von dir«, sagte Ben. »Aber ich hab schon andere Pläne. Ich bin Travis hier zufällig über den Weg gelaufen, und … ich denke, ich lasse euch zwei jetzt allein. Es war nett, dich kennengelernt zu haben.«
»Gleichfalls«, sagte ich, und Ben verließ uns, damit wir zu zweit Shabu-Shabu machen konnten.
In dem Restaurant mussten wir die Schuhe ausziehen. Ich dankte Gott, dass ich hübsche Socken trug (die keine Löcher hatten), als ich aus meinen Stiefeln stieg.
Als wir uns an unseren Tisch setzten, war mir vor Aufregung ganz schwindelig. Außerdem nahm ich einen Geruch wahr, der das Restaurant durchdrang. Schwer zu beschreiben. Ich sah mich um. In jeden Tisch war eine Pfanne eingebaut, um eine Art von Eintopf darin zu kochen, und auf jedem standen rohes Fleisch, Gemüse und einige Gewürze. Ich fragte mich, ob es das rohe Fleisch war, das ich roch, aber … es roch nicht nach Fleisch – es roch nach … Füßen.
Ich wusste nicht, ob ich etwas zu Travis sagen sollte, weil ich nicht direkt als Nörgler rüberkommen wollte, aber es war ziemlich ekelhaft.
»Bist du aufgeregt, ich meine, wegen deines ersten –?« Er schnüffelte. »Riechst du etwas?«, flüsterte er.
»Gott sei Dank«, sagte ich. »Ja, ich war mir nur nicht ganz sicher, ob das zu dem ganzen Shabu-Shabu-Charme dazugehört, deshalb wollte ich nichts sagen.«
Wir sahen uns beide um, dann unter den Tisch, und im selben Augenblick entdeckten wir den Übeltäter. Unser Tischnachbar. Ein Mann Ende vierzig mit seiner Frau und seinem zwölfjährigen Sohn.
Der
musste es sein. Seine Socken sahen verfilzt aus und im Linken war ein Loch, durch das sein großer Zeh hinauslinste.
»Volltreffer«, sagte Travis.
Sosehr ich es auch versuchte, ich konnte nicht aufhören, mich auf den abtrünnigen Zeh zu konzentrieren. »Irgendwie hässlich.«
»Wahrscheinlich trägt er extra für diese Gelegenheit eine Woche lang dieselben Socken.«
»Na ja, lass uns nicht länger drauf achten«, sagte ich und versuchte optimistisch zu klingen, auch wenn meine Augen praktisch tränten.
»Hört sich gut an«, sagte Travis und warf einen letzten Blick auf unsere Nachbarn. Der Sohn ließ seine Zahnspange aus seinem Mund heraus- und wieder hineinschnellen.
»Also, was ist gut hier?«, fragte ich.
»Das nicht«, sagte Travis mit einem Blick auf das Kind. »Auf der Karte? Fleisch. Und Fleisch.«
»Mit Fleischbeilage?«
»Es gibt nicht viel Auswahl auf der Karte, aber du kannst dir alles selbst zusammenstellen.«
»Verstanden.«
»Das ist mir zu anstrengend«, sagte in diesem Moment Frau Gestank von nebenan. »Wenn ich in ein Restaurant gehe, möchte ich, dass für mich gekocht wird.« Travis und ich lächelten uns an.
Der Kellner kam zu uns und nahm unsere Bestellung auf. Der Gestank verschwand
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