Von jetzt auf gleich
für eine Frau, den Eindruck zu erwecken, sie würde selbst daran denken, ein Sixpack zu besorgen – und müsste sich das auch noch aufschreiben, um es bloß nicht zu vergessen.
Ich zog seine Karte heraus und sah sie mir an. Travis arbeitete als Problemanalytiker im Risikomanagement bei Goldman Sachs. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber es hörte sich sehr wichtig an und passte nicht im Geringsten zu meinem Bild von ihm. Ich fragte mich, was Risikomanagement war. War es sein Job, mehr Risiko und mehr Belohnung zu schaffen oder das Gegenteil? Und was verdiente er dabei? Ich war unschlüssig, ob ich ihn anrufen sollte oder nicht. Das Wort
Risiko
von seiner Visitenkarte sprang mir ins Auge und deshalb entschied ich, nicht anzurufen. Ganz egal, was die potenzielle Belohnung war. Außerdem gab es etwas, was eine Frau eigentlich nie tun sollte – interessiert erscheinen.
»Hallo?«, sagte die Stimme, die ich von Thanksgiving kannte, als ich dreißig Sekunden später anrief.
»Hi … hier ist Jordan«, sagte ich. Stille. »Die Frau von dem Unfall?«, fügte ich hinzu, schreckte dann zurück und hielt die Luft an, bis er wieder sprach. Ich hörte mich an wie einer dieser Menschen, die nach jedem Satz ihre Stimme anheben, so als ob sie eine Frage stellten, auch wenn sie das nicht taten.
»Jordan! Entschuldige, diese Freisprecheinrichtung. Ich freu mich, dass du anrufst.«
»Schön.« Klasse!
»Deine Visitenkarte ist eine Kundenkarte vom Feinkostladen. Noch acht Stempel und du kriegst ein Sandwich umsonst.« Klasse!
»Wie geht es dir – fühlst du dich ein bisschen besser?«
»Oh, ja, besser, viel besser«, brachte ich heraus. »Aber die ganze Erinnerungsgeschichte macht mich noch ein bisschen nervös.«
»Das ist doch klar – das ist ja auch nicht einfach.«
»Ja.«
Bei einer so prickelnden Konversation hätten wir wirklich sofort auflegen sollen. Aber ich war wild entschlossen, die Sache in die richtigen Bahnen zu lenken, genau hier und jetzt.
»Was machst du gerade?«, fragte ich.
»Ich komme gerade aus einer langweiligen Besprechung. Ein Marathon-Meeting über Schadensminderungsstrategien und probalistische Risikomodelle kann einen ganz schön müde machen, aber heute bin ich tatsächlich eingeschlafen.«
»Auweia!«
»Vor dem Geschäftsführer.«
»Nochmal Auweia!«
»Und ich hab gedacht, der Sozialkundeunterricht wäre schlecht gewesen. Der war wie Vegas, verglichen mit den letzten drei Stunden meines Lebens – die ich übrigens zurückhaben möchte.«
»Aber du magst deinen Job, oder?«, fragte ich.
»Eigentlich ist er nicht schlecht, aber der Hit ist es sicher nicht.«
»Ich freu mich drauf, mehr darüber zu hören.«
»Und ich freu mich drauf, dir mehr davon zu erzählen«, sagte er. »Was machst du später? Es gibt doch dieses großartige Shabu-Shabu.«
»Shabu-Shabu?«, wiederholte ich, während ich bei
Google
nachschaute, was das genau war. Ich fand heraus, dass das eine Art Fondue-Party war … nur ohne Käse. Für mich hörte sich das absolut nicht nach Party an, aber bevor ich im Internet weitersuchen konnte, erklärte er es.
»Man kocht sein Essen selber in einer heißen Pfanne in der Mitte des Tisches.«
»Aha! Hört sich lustig an.«
»Hast du noch nie Shabu-Shabu gemacht?«, fragte er und sofort fühlte ich mich total uncool.
»Oh, ich habe Shabu-Shabu gemacht«, sagte ich großspurig.
»Wirklich?«
»Nein. Glaub ich zumindest nicht. Ich … bin nicht sicher.«
»Dann machen wir’s«, antwortete er, und das Lächeln, das sich auf meinem Gesicht ausbreitete, fühlte sich wie Sonnenschein an, der mich von innen her aufwärmte.
***
Das Restaurant war in East Village. Als ich dort ankam, stand Travis draußen und unterhielt sich mit einem anderen Typen. Wir hatten verabredet, uns direkt nach der Arbeit zu treffen, was gut war, weil mir so keine Zeit blieb, mir Gedanken darüber zu machen, was ich anziehen sollte, aber aus demselben Grund fühlte ich mich jetzt schlecht. Der Typ, mit dem er dort stand, war ein paar Zentimeter kleiner als Travis und trug einen Anzug. Er hatte kurze lockige Haare und trug eine Brille. Travis kam auf mich zu und gab mir einen Kuss auf die Wange.
»Hi«, sagte er. »Schön, dich wiederzusehen.«
»Gleichfalls«, sagte ich und schaute auf seinen Freund.
»Entschuldige, das ist Ben, ein Freund von mir«, sagte Travis.
»Hi, Ben. Nett, dich kennenzulernen«, sagte ich.
»Ebenso«, sagte Ben. »Kannst du dich schon an
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