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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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Fahrräder geklaut worden. Eines Abends sei jemand vor ihm aufgetaucht, der ihm etwas zugenuschelt habe, eine Botschaft, die allerdings vom Regen und der Dunkelheit verschluckt worden sei, sagte Di Girolamo: »Ich habe nur verstanden, dass ich auf ihn hören sollte. Aber nicht, warum.« Ein weiteres Mal wurde ein namensgleicher Fotograf fälschlicherweise am Telefon bedroht, und zuletzt wurde die Kanzlei über dem Radiostudio in Brand gesteckt, offenbar hatten sich die Brandstifter in der Etage geirrt.
    »Drei Drohungen, und keine davon haben sie richtig hingekriegt«, sagte Giacomo di Girolamo. »Wenn ich mir das ansehe, sieht es schlecht aus für die Mafia.«
    Ironie ist seine Rettung. Zum Abschied sagte er: »Ich kann hier nichts verändern. Aber ich muss es erzählen. Damit niemand sagen kann, er hätte nichts gewusst.«
     
    Der Wirt serviert die Pasta und ruft Rosaria mit väterlicher Strenge wieder an den Tisch zurück. Als ich ihr von GiacomoDi Girolamo und den missglückten Drohungen erzähle, zieht sie die Augenbrauen hoch und lächelt spöttisch. Sie stimmt auch Di Girolamos nüchterner Einschätzung seiner Arbeit zu. »Ich habe keine heiligen Kühe«, sagt sie. Sie würde auch nicht die Fehler der Antimafiabewegung verschweigen: Wenn morgen der Chef der Antimafiaermittlungsbehörde verhaftet würde, täte ihr das als Bürgerin leid, aber nicht als Journalistin. Und dann erwähnt sie beiläufig, dass sie ihre Schadensersatzklagen bislang immer gewonnen hat. Bislang.
    Als wir schließlich das Lokal verlassen, bleibt Rosaria nur kurz auf der Straße stehen, um ein paar Züge zu rauchen, unruhig beäugt von ihrem Leibwächter, der erleichtert wirkt, als sie wieder im Auto sitzt.
    Es ist die Uhrzeit, in der Caserta Mittagsschlaf hält, die Gassen, Straßen und Plätze sind menschenleer. Einzig ein paar alte Männer sitzen auf weißen Plastikstühlen, an einer Hauswand aufgereiht. Wir fahren am Königspalast von Caserta vorbei, jener barocken Residenz der Bourbonen, die aus dem Land der Casalesi wie eine Luftspiegelung auftaucht. Aber bevor ich einen Blick von ihm erhaschen kann, hat uns eine Unterführung verschluckt. Wenig später kommen wir wieder vor der Lokalredaktion des Mattino an, und der Alfa steht immer noch im Halteverbot, unberührt und ohne Strafzettel.
    »Die Rückfahrt war aber viel kürzer als die Hinfahrt«, sage ich zu dem Leibwächter. Er lächelt mich nachsichtig an. Und sagt: »Wir nehmen jedes Mal einen anderen Weg. Und nie den direkten.«

13
    Vor mir fährt ein Südfrüchtetransporter mit dem polnischen Namen Morelewski, ein fahrendes Kühlhaus, das mit überdimensionalen Orangen, Zitronen und Ananas bemalt ist, die von Sizilien nach Warschau gefahren werden. Die Orangen und Zitronen sehen so rührend aus, als seien sie von einem Zirkusplakatmaler gemalt worden, in grellen Farben und mit naiven Formen. Die alte Sehnsucht nach dem Süden. Nach Orangen und Zitronen. Nach Sonne und Palmen. Nicht weit von hier ist Goethe seiner ersten Palme in freier Natur begegnet, was er für so bemerkenswert hielt, dass er am 23. Februar 1787 notierte: »Ein Palmbaum zeichnet sich aus und ward begrüßt. So viel für diesen Abend. Verzeihung der laufenden Feder. Ich muss schreiben, ohne zu denken, damit ich nur schreibe.«
    Als ich noch Goethes Palme gedenke, der er in der Ebene von Fondi auf dem Weg von Rom nach Neapel begegnet war, katapultiert mich eine Meldung auf Radio Capital wieder in die Wirklichkeit: In Neapel sei gerade ein Schlag gegen die Gemüsemafia gelungen, auch genannt frutta connection . Sizilianische Mafiosi und kampanische Camorristi beherrschen in schönster Eintracht den gesamten Obst- und Gemüsehandel in Italien, die Großmärkte von Mailand über Fondi bis nach Vittoria in Sizilien. Die Clans der kampanischen Camorra und der sizilianischenCosa Nostra kontrollieren alles, die Gemüsekooperativen, die illegalen Erntehelfer, die Speditionen, jeden einzelnen Gemüsestand, bis hin zu den Sägereien, die die Obstkisten herstellen. Sie bestechen Lebensmittelkontrolleure und bestimmen den Preis jeder einzelnen Erdbeere. Ein Geschäft von fünfzig Milliarden Euro. Leicht verderbliche Ware, wie geschaffen für die Geldwäsche.
    Nicht umsonst hat die Mafia ihre Ursprünge auf dem Land. Seit Jahrhunderten stehlen die Mafiosi Vieh und Ernte, zünden Felder an, erpressen die Bauern, verlangen Wucherzinsen und lassen ihr Vieh auf fremden Weiden grasen. Der kalabrische Clan der Morabito

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