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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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wenigen Metern sieht es so aus, als würde ich steckenbleiben, inmitten von Müllhaufen und dem bröckelnden Putz der Häuserwände. In den der Name der Mastiffs wie ein Brandzeichen geprägt wurde, des neapolitanischen Fußballclubs. Also fahre ich zurück und stehe schon wieder ratlos vor der Kirche, während der neapolitanische Verkehr über mir wie ein gewaltiger, kreischender und stinkender Ozean zusammenschlägt.
    Einmal war ich in dieser Kirche bei einer Taufe, einer wichtigen Taufe, wie Gino betonte. Und dabei nicht unerwähnt ließ, dass die nur wenige Schritte von seinem Studio entfernte Kirche Santa Catarina di Formiello jene Kirche ist, in der sich die Camorra der Legende nach einst gegründet haben soll.
    Die Frau, die in Schwarz vor den Traualtar getreten war, ließ ihren erstgeborenen Sohn taufen. Als sie die Stufen zur Kirche hinaufstieg, bebte ihr gewaltiger Busen vor Zorn. Ein Verwandter hatte sie daran erinnert, dass nach ihrer Hochzeit einige Journalisten von dem Priester hatten wissen wollen, ob es sich bei dem Brautpaar, das in Schwarz vor den Traualtar getreten war, um Camorristi gehandelthabe. Und der Priester habe die Aussage verweigert, zischte sie wütend. Als hätten sie etwas zu verbergen! Dann betrat sie die Kirche wie ein fremdes Hoheitsgebiet. Nachlässig bekreuzigte sie sich, ließ ihren schweren Körper auf die Kirchenbank fallen und tupfte sich mit einem Taschentuch etwas Schweiß von den Achseln und dem Taufkind die Spucke vom Mund. Als der Priester die Kirche betrat, erhob sie sich als Letzte.
    Mit scheinbar demütig geneigten Häuptern murmelten die Gäste der Taufgesellschaft: »Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld« – und wirkten doch so abwesend wie eine Schulklasse auf einem Wanderausflug. Gino war bei dieser Taufe der einzige Mann im Anzug, als Zeichen des Respekts, alle anderen trugen Jeans und karierte Hemden. Das Taufkind, ein dicker Junge namens Guglielmo, trug ebenfalls Karohemd. Und eine schwere, silbern schimmernde Kette, an der ein mit Glitzersteinen übersätes Kruzifix hing: ein Geschenk seines Taufpaten, der gleichzeitig sein Großvater war und der von den Eltern des Taufkindes ebenfalls mit einem dicht mit Glitzersteinen besetzten Armreif beschenkt wurde.
    »Bergkristalle?«, fragte ich flüsternd zwischen zwei Vater unser, und Gino zischte: »Spinnst du? Fünfzehntausend Euro, von wegen Bergkristall!«
    Der Pfarrer ermahnte alle, sich zum Beten zu erheben: »Nur wer Hämorrhoiden hat, darf sitzen bleiben!«, rief er. »Habt ihr schon mal jemandem dabei geholfen, das Leben zu ändern? Ein vorbildhaftes Leben zu führen anstatt eines in Sünde?«
    Kirchenbänke knarrten, Füße scharrten ungeduldig, und ab und zu hüstelte jemand. Der Pfarrer mahnte, stöhnte und drohte. Und klang doch wie ein Sozialarbeiter, der schwer erziehbare Jugendliche mit einer Theater AG dazubringen will, in Zukunft niemanden mehr in der U-Bahn zusammenzuschlagen.
    Die letzten Meter bin ich eine Einbahnstraße rückwärts gefahren. Endlich habe ich es geschafft. Das Hotel. Als ich den Innenhof betrete, ist Neapels Gebrüll verstummt, Katzen streichen herum, und man hört nichts anderes als das Plätschern eines Brunnens und die Stimmen von zwei dicken, rotgesichtigen Amerikanern, die auf der kleinen Terrasse neben dem Eingang sitzen und Caffè latte trinken.
    Das Hotel ist ein kleiner, verwinkelter Palazzo mit vielen Terrassen, überwuchert von Jasminsträuchern, die auch jetzt noch duften, im November.
    Ich bin mit meiner neapolitanischen Freundin Alessandra an der Piazza Bellini verabredet, das Auto steht sicher auf dem Parkplatz unter einem riesigen Magnolienbaum, und als ich das Hotel verlasse, sehe ich, wie sich eine der streunenden Katzen auf der Kühlerhaube zusammengerollt hat. Die umliegenden Geschäfte lassen rasselnd ihre eisernen Rollläden hinunter, und ich laufe zur Piazza Bellini, vorbei an einem Christus, der aussieht wie eine Wasserleiche, vorbei an den Wäscheständern, mit denen der Parkplatz vor der Tür verteidigt wird, vorbei an den bassi , den ebenerdigen Einzimmerwohnungen, die sich in die Barockpaläste gegraben haben.
    In einem dieser Bassi wohnte Bijou, die man Schmuckstück nannte, weil sie so hübsch war, als junge Frau. Blonde Haare hatte sie immer noch und ein verwelktes Mädchengesicht, als Gino sie mal mit mir besuchte, mit einem gewissen Stolz für den Unternehmergeist, der in seinem Stadtviertel um die via dei Tribunali

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