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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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das Grün, die Schulen und das Familienleben.
    Das große Geschäft aber machen die Clans der ’Ndrangheta jetzt in Mailand, mit der Expo 2015. Mit den Auf trägen für die Expo, für den Bau von zwei neuen Stadtvierteln mitsamt achtzehntausend Wohnungen, für den Bau von Pavillons, Büros, Einkaufszentren, Straßen, einem Auditorium, einem Amphitheater und einem künstlichen See. Von einem zu erwartenden Geschäftsumsatz von 44 Milliarden Euro ist die Rede.
    Vincenzo Macrì, der stellvertretende Leiter der nationalen Antimafiaermittlungsbehörde warnte die Stadtverwaltung von Mailand: An der Expo würden die Clans mehrverdienen als an dem Bau der Brücke über die Meerenge von Messina – einem Bauprojekt, das bislang stets als Lieblingsprojekt der Mafia galt. Vorübergehend ernannte die Mailänder Stadtverwaltung eine Antimafiakommission, welche die Vergabe der Bauaufträge überprüfen sollte. Aber dann stellte man fest, dass dies für das Bild der Stadt abträglich sein könnte. Und löste die Antimafiakommission wieder auf.
     
    Kurz hinter Padua blicke ich auf mit Zypressen bewachsene Hügel, die im Gegenlicht wie gezackt aussehen, ein Idyll, das nur wenige Kilometer weiter durch den Anblick einer Autobahnraststätte entstellt wird, die sich wie eine Brücke über die Autobahn spannt, eines jener monströsen Siebziger-Jahre-Bauten, die wirken wie für Außerirdische gemacht. Daneben sehe ich mit Sonnendächern überspannte Parkplätze. Diese Parkplätze haben mich damals auf meiner ersten Reise nach Corleone ähnlich beeindruckt, wie das Buongiorno Signorina! an der Tankstelle am Brenner. Die Tatsache, dass die Sonne so heiß schien, dass man sogar die Autos vor ihr schützte, fand ich bemerkenswert. Die Sonnendächer für Autos blieben für mich noch jahrelang der Inbegriff des Südens – so wie die Orangengärten von Sorrent für die Reisenden der Grand Tour. Und gleichzeitig waren diese Autobahnparkplätze auch Inbegriff der Gefahren, die auf den Reisenden im Süden lauerten, hingen doch überall Schilder, die in schlechtem Deutsch und schlechtem Englisch vor Taschendieben und selbsternannten Parkwächtern warnten.
    Ich suche nach meinem Lieblingssender, Radio Capital. Als ich ihn endlich gefunden habe, verkünden die Nachrichten gerade die Verhaftung von vierzig ’Ndranghetisti in Rosarno, jenem kalabrischen Ort, in dem es zu einerTreibjagd auf die schwarzafrikanischen Erntehelfer gekommen war, die sich nicht mehr von den Clans ausnutzen lassen wollten und gegen sie rebelliert hatten.
    Dann höre ich die Kreuzfahrtmoderatorenstimme von Berlusconi, der sich über die Staatsanwälte mokiert, die gegen ihn ermitteln, nicht mal auf Radio Capital bleibt man von ihm verschont. Erst gestern Abend, als ich schon im Bett lag und zu kraftlos war, um die Taste der Fernbedienung zu drücken, hörte ich, wie Berlusconi »links« rief, alle seien links, die Verfassungsrichter, die das für ihn maßgeschneiderte Immunitätsgesetz gekippt hatten, die Staatsanwälte, die gegen ihn ermitteln, der Staatspräsident, alle Linke. Dann hob großes Geschrei an, wie immer in der täglichen Talkshow »Porta a Porta«. Die auch »heimliches Parlament« genannt wird – wobei sie so heimlich gar nicht ist, sondern prime time auf RAI Uno. Weiße Ledersessel rechts, weiße Ledersessel links und in der Mitte der Moderator Bruno Vespa, ein Höfling der Macht, der geschmeidig bis zur Selbstauflösung um die Ledersessel streicht. Mal ist er Vatikansprecher, meist aber Berlusconis Privatsekretär.
    In diesen weißen Ledersesseln sitzend, hat Berlusconi gestern Abend zum Volk gesprochen, er hat seine gescheiterte Ehe beklagt und angekündigt, dass er nie zurücktreten werde. Ich spürte noch, wie mich eine große Mattigkeit überfiel, wie jedes Mal, wenn ich höre, wie Bruno Vespa um Berlusconi herumschnurrt. Nur Tierfilme schläfern mich so wirkungsvoll ein wie Bruno Vespas Talkshow. Zeigen Sie mir einen Geparden in freier Wildbahn oder Bruno Vespas weiße Ledersessel, und ich schlafe auf der Stelle ein. Ich träumte von links. Vom Regen, der links ist, genau wie ein Aufzug, der nicht kommt, und um mein Ohr surrte eine Mücke, die garantiert auch links war.
    Ich lebe seit zwanzig Jahren in Italien, und seit sechzehn Jahren herrscht hier Berlusconi. Wenn man jetzt mal von kleineren Unterbrechungen wie Romano Prodis Mitte-links-Regierungen absieht. Berlusconi-Jahre sind wie Hundejahre, sie zählen siebenfach. Seit einem gefühlten

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