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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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Facebook-Gruppen. Es tut ihnen gut, sich nicht allein zu fühlen. Die Mafia versucht ihre Gegner stets zu isolieren, zu diskreditieren, zu verhöhnen, viele noch bis in den Tod.
    Auch der Vater von Antonino Agostino ist wieder da, jenem Polizisten, der 1989 zusammen mit seiner schwangeren Frau ermordet wurde. Er war einer der beiden Polizisten, deren Spuren bei dem vereitelten Attentat gegen den Staatsanwalt Falcone gefunden worden waren, als Mafiosi vor der Ferienvilla des Staatsanwaltes zwischen den Felsen Sprengstoff deponiert hatten. Beide Polizisten wurden danach ermordet. Der Vater von Antonino schwor, sich den Bart erst wieder zu schneiden, wenn der Tod seines Sohnes aufgeklärt sei – und jedes Mal, wenn ich ihn sehe, ist sein Bart ein Stück länger geworden.
    Danach geht Don Ciotti auf die Bühne, der Gründer von Libera. Wie immer trägt er einen dunkelblauen Seemannspullover, in dem er aussieht wie ein Marinepfarrer. Don Ciotti prangert eine Gesellschaft der Ungleichheit an, geißelt nebenbei den Individualismus, bis die Farne auf der Bühne wackeln, und präsentiert schließlich eine Liste mit den Namen der Mafiatoten. Von 1893 bis heute.
    Nach Don Ciotti spricht der Chef der nationalen Antimafiastaatsanwaltschaft, der einen Seitenhieb auf Berlusconi austeilt, der den Richtern die Legitimation abspricht, weil sie, anders als er selbst, nicht vom Volk gewählt seien. Und dann erwähnt er den Fall einer Mutter, der vor wenigenTagen mitgeteilt wurde, dass die Knochen ihres Sohnes gefunden worden seien, vierzehn Jahre nach seiner Ermordung. Endlich könne sie ihn begraben. Denn das sei ihr einziger Wunsch gewesen: Sie wollte nur einen Ort haben, an dem sie weinen könne.
    Später, als die Eröffnungsreden beendet sind und wir zum Ausgang gehen, sehe ich, wie sich die Menschenmasse immer wieder teilt, um einen Staatsanwalt mitsamt seinen Leibwächtern passieren zu lassen, wie üblich im Laufschritt. Es gibt auch Journalisten, die von Leibwächtern begleitet werden, der schnauzbärtige Sizilianer Pino Maniaci etwa, Gründer und Betreiber des sizilianischen Antimafiafernsehsenders Telejato. Er eilt mit seiner Tochter und einer Fernsehkamera in der Hand vorbei, auf dem Weg zum Treffen mit einer der zahlreichen Antimafiaarbeitsgruppen, die sich in Rom versammeln. Die einen informieren über die in der Adria versenkten Giftmüll-Schiffe, die anderen diskutieren, was mit beschlagnahmten Mafiagütern geschehen soll, andere analysieren die Darstellung der Mafia in Film und Fernsehen.
    Nachdem wir wieder ins Freie getreten sind, laufe ich eine Weile wie benommen neben Laura her, die mir von ihrem letzten Mafiafilm erzählt, den sie soeben abgedreht hat – über die Arbeit eines Polizisten in Trapani und über eine junge Journalistin in Kalabrien. Der Himmel über Rom schimmert wie rosa Porzellan, und in den Platanen entlang des Tiberufers sitzen Schwärme von Zugvögeln, die ohrenbetäubend laut zwitschern. Bevor ich die Brücke über den Fluß überquere, drehe ich mich noch einmal um und sehe den Petersdom im Gegenlicht.
    Als Papst Johannes Paul II. gestorben ist, bin ich über die via della Conciliazione zum Petersdom gepilgert, zwölf Stunden lang, zusammen mit unzähligen anderen Pilgernund im Schlepptau von vier Nonnen, die zum Orden der Töchter der Unbefleckten Maria gehörten und gemeinhin le immacolatine, die kleinen Unbefleckten, genannt wurden. Als wir nach Stunden endlich am Ende der via della Conciliazione angekommen waren und den Petersdom sahen, wo Johannes Paul II. aufgebahrt lag, waren wir kurz davor, aufzugeben, weil wir nur noch eine Masse aus dicht aneinandergepressten, der Ohnmacht nahen Leibern, steifen Beinen und tauben Füßen waren. Aber dann wurden wir von einer großen Welle erfasst, die uns in den Petersdom spülte, kurz bevor er für den Rest der Nacht geschlossen wurde, worin eine der kleinen Unbefleckten das erste Wunder des toten Papstes sah.
    Es mutet bizarr an, dass die größte italienische Antimafiaorganisation von einem Priester angeführt wird, und der Vatikan sich gleichzeitig sehr bedeckt hält, was den Kampf gegen die Mafia angeht. Anders als Johannes Paul II., der die Mafia immerhin als Ausgeburt des Teufels verdammte und die Mafiosi aufrief, sich zu bekehren, hat Papst Benedikt zwar den Gebrauch von Präservativen gegeißelt, und die Homosexualität als Gefahr für die Menschheit angeprangert, aber kein Wort über die Mafia verloren. Bis heute gibt es kein offizielles

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