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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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Wenn wir erst einmal draußen wären, würden meine ohnehin geringen Chancen auf null sinken. Der Soldat sah äußerst fit aus, und ich war alles andere als ein guter Läufer. Außerdem schmerzte mein Knie noch immer von dem Zusammenstoß mit der Holo-Raum-Wand. Ein Fluchtversuch auf offener Straße war somit von Vornherein zum Scheitern verurteilt. Wir passierten das Badezimmer. Ohne lange nachzudenken, schlüpfte ich hinein, schloss die Tür hinter mir ab und hielt die Luft. Eine Sekunde lang war es so still, dass ich glaubte, der Soldat hätte mein Verschwinden gar nicht bemerkt. Dann jedoch rüttelte er bereits von draußen an der Klinke und brüllte nach Leibeskräften: „Aufmachen! Sofort aufmachen!“
    „Wo sind wir?“, fragte Strom-Tom aufgeregt.
    „Im Badezimmer.“
    „Hat es ein Fenster?“
    „Leider nein.“
    „Super, Dodo! Du hast dich in einem fensterlosen Badezimmer versteckt! Was glaubst du wohl, wie lange uns das weiterhilft? „
    Vor der Tür rauschte ein Funkgerät, und der Soldat erstattete Bericht: „Der Arbeiter hat sich verschanzt. Erbitte Freigabe nach Paragraph 16/21.“
    Panisch dachte ich nach. Weiter als bis in die Toilette hatte mein Plan bislang nicht gereicht. „Ich drück dich raus, und dann schlüpfst du einfach durch das Schlüsselloch in den Mund des Soldaten und verpasst ihm eine saftige Ladung Strom, bis er gelähmt umfällt!“
    „Und wenn der Typ in der Zwischenzeit Verstärkung bekommen hat?“, fragte Strom-Tom.
    „Tja, gute Frage ...“ Ich lachte auf. „Dann weiß ich auch nicht.“
    „Was ist daran denn witzig? Wir stecken bis zum Kinn in destilliertem Wasser!“
    „Lachen macht locker und den Kopf frei“, erwiderte ich ernst. „Sagt meine Omi immer.“
    Draußen rauschte erneut das Funkgerät und ein dunkles Murmeln ertönte.
    „Bestätige“, sagte der Soldat. „Freigabe 16/21 erhalten.“
    Dann trat er kräftig gegen die Badezimmertür.
    „Dodo, tu was!“, schrie Strom-Tom. „Irgendwas!“
    Hektisch sah ich mich nach etwas um, mit dem ich mich verteidigen konnte. Ich griff nach Omis Lockenstab, doch er war viel zu leicht und außerdem aus zerbrechlichem Kunststoff, also legte ich ihn gleich wieder zurück. Draußen wurde inzwischen erneut Anlauf genommen und ein Stiefelabsatz gegen die Tür gedonnert. Der stählerne Rahmen zeigte sich davon unbeeindruckt, doch die Tür selbst verkündete mit einem Splittern, dass sie bald nachgeben würde.
    Mein Blick fiel auf das viereckige Loch in der Wand. „Die Wäscherutsche!“
    „Die was?“, fragte Strom-Tom.
    „In der Wand zwischen Omis Schlafzimmer und dem Badezimmer gibt es einen Schacht. Damit sie die schmutzige Wäsche nicht immer die Treppe hinuntertragen muss.“
    „Und da passt du rein?“
    Wieder splitterte Holz.
    „Als Kind bin ich da jeden Tag runtergerutscht.“ Ich drehte mich mit dem Rücken zum Schachtausgang und steckte meine Arme hinein.
    „Als Kind? Das ist doch mindestens zwanzig Jahre her!“
    Ich tauchte mit dem Kopf in den Schacht und zog meinen Oberkörper hinterher. Es war eng, doch es ging. „Ich bin eigentlich immer nur in die Höhe gewachsen.“ Meine Stimme hallte dumpf von der Metallverkleidung wider. „Nie in die Breite.“
    Das Holz der Badezimmertür splitterte ein drittes Mal, und etwas Metallisches hüpfte von hellen Tönen begleitet über die Badezimmerfliesen. Ich setzte mich auf den Schachtboden, so dass meine Beine nach draußen baumelten und stemmte meine Handflächen gegen die Metallwände. Stück für Stück schob ich mich hinauf. Als unter mir gerade genug Platz war, um meine Füße auf den Schachtboden zu stellen, flog die Badezimmertür mit einem letzten lauten Splittern aus den Angeln. Ich erstarrte wie ein Reh auf der Landstraße – mit dem Unterschied, dass ich mit angezogenen Knien in einem Wäscheschacht saß.
    Der Soldat stampfte im Badezimmer umher. „Der Arbeiter ist weg!“ Er riss den Duschvorhang herunter. „Das ist unmöglich!“
    Das Funkgerät knisterte und eine vertraute Stimme brummte ungeduldig: „Er versucht, in den ersten Stock zu fliehen! Schneiden Sie ihm den Weg ab!“ Es war der große, schwere Mann in dem Ohrensessel.
    „Verstanden, Chef!“, rief der Soldat und lief hinaus.
    Ich wartete einige Sekunden. Dann streckte ich meine Beine zurück ins Badezimmer und kletterte aus dem Schacht heraus, während über mir bereits schwere Schritte polterten. Ungelenk stakste ich durch die beiden Flure. Ich wollte weglaufen, doch es ging

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