Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
entgegnete Strom-Tom. „Das Programm, das für den Teich verantwortlich ist. Und anscheinend denkt es, du wärst der Chef.“
„Wie kommt es darauf?“
„Bei der Spracherkennung wundert es mich, dass es überhaupt irgendwas wahrnimmt. Gib ihm einfach irgendeinen Befehl, damit es uns in Ruhe lässt!“
„Vielleicht hab ich sogar eine bessere Idee.“ Ich wandte mich an den Teich. „Ähm … Sehr geehrtes Programm …“
„Programm meldet sich!“, meldete sich das Programm voller Arbeitseifer.
„Du erfüllst mir jeden Wunsch?“
„So haben Sie mich programmiert, Chef.“
„Okay, dann habe ich eine Aufgabe für dich.“ Ich glaubte, das Programm vor Vorfreude knistern zu hören. „Ich wünsche mir eine Tür.“
„Ich wiederhole Tür. Und wo wünschen Sie die Tür?“
„Hmh …“ Ich sah mich etwas ratlos um. „Ähm … tja ...“
„Genau hier!“, rief Strom-Tom, dem es anscheinend nicht schnell genug ging. „Direkt vor uns … mir!“
„Vertikal oder horizontal?“, erkundigte sich das Programm in einem Tonfall, als hinge davon der Fortbestand der menschlichen Zivilisation ab.
„Vertikal oder horizontal?“, fragte ich zurück.
„Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?“, fragte das Programm und schaffte es dabei, kompetent und zugleich unterwürfig zu klingen.
„Okay.“
„Bitte warten. Rechenzeit beträgt fünf Sekunden.“ Das Programm zählte bis auf eins herunter und verkündete dann freudestrahlend: „Ergebnis: Eine Tür auf einem See ergibt unter biometrischen Gesichtspunkten keinen Sinn. Deshalb Vorschlag: Keine Tür.“
„Und wenn ich es dir befehle?“, fragte ich vorsichtig.
„Dann führe ich auch sinnlose Aktionen aus“, jauchzte das Programm. „Sie sind der Chef.“
„Gut. Dann will ich jetzt hier eine Tür. Und zwar vertikal.“
„Tür, vertikal“, beglückwünschte mich das Programm voller Herzlichkeit.
Aus dem Nichts heraus erschien eine gewöhnliche Zimmertür aus rot lackiertem Holz.
„Ich hoffe, meine Farbauswahl sagt Ihnen zu.“
Ich griff nach der Klinke. Meine Hand fasste ins Leere. Ich ging durch die geschlossene Tür – und stand weiterhin auf dem hellblauen, viel zu großen Teich.
„Es funktioniert nicht“, sagte ich. „Das ist zwar eine Tür, aber kein Ausgang.“
„Ich bedaure aufrichtig, dass meine Arbeit Ihren Ansprüchen nicht gerecht wird“, betonte das Programm mit einer perfekten Mischung aus Mitgefühl und Unterwürfigkeit.
„Programm!“, rief Strom-Tom. „Wir brauchen einen Ausgang!“
„Bitte warten … Rechenzeit: drei Sekunden.“ Erneut zählte das Programm rückwärts und verkündete dann voller Zufriedenheit: „Es gibt 2475 Ausgänge. Korrigiere: 2476 unter Berücksichtigung Ihrer roten Tür. Bitte wählen Sie einen Ausgang!“
„2476 Ausgänge?“, fragte ich.
„Das sind virtuelle Ausgänge“, sagte Strom-Tom und wandte sich wieder an das Programm: „Wo befinden sich die … die …“ Er verstummte. Anscheinend suchte er nach dem richtigen Begriff. „Projektionslöcher!“, schallte es aus meinem Magen. „Genau! Wo befinden sich die Projektionslöcher?“
Sofort ratterte das Programm vergnügt los: „Meinten Sie: A) Projektions-Dots, B) Projektions-Schaltpläne, C) Projektions-Bus, D) Projektions-Schieber, E) Projektions-Schlauch, F) Projektions-Freiflächen, G) Projektions-Sicherheit, H) -“
„Stopp!“, rief Strom-Tom und das Programm verstummte augenblicklich. „Die Freiflächen! Wo sind die Freiflächen?“
„F) Projektions-Freiflächen“, entgegnete das Programm hochmotiviert. „Projektions-Freiflächen sind Holo-Flächen, die frei von LC-Dots sind. Sie bestehen üblicherweise aus Materialien wie A) Beton, B) Kunststoff, C) Kautschuk, D) -“
„Stopp!“, rief ich und das Programm verstummte abermals. „Wo sind diese Freiflächen?“
„Frage: Wo sind diese Freiflächen?“, wiederholte das Programm begeistert. „Antwort: Einfach. Folgen Sie immer der Wand und biegen bei der nächsten Möglichkeit nach links ab!“
„Da wären wir sowieso längs gegangen!“, sagte Strom-Tom verärgert. „Dann hätten wir uns den ganzen Mist hier auch sparen können.“
„Entfernung der Freifläche: 38,75 Meter“, ergänzte das Programm mit ungebrochener Heiterkeit. „Gute Reise!“
„Ja, danke“, erwiderte ich anstandshalber.
Strom-Tom hingegen gab nicht so viel auf gutes Benehmen. „Nichts wie weg hier! Das Ding geht mir gehörig auf die Nerven!“
„Nerven“, echote das Programm
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