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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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begeistert. „Die Nerven. Kurze Nerven haben lange Beine. Nerven. Ich nerve, du nervst, er …“
    So schnell mein geprelltes Knie es zuließ, humpelte ich über den Teich aus hellblauen LC-Dots, während meine lädierte Linke über die unsichtbare Wand strich, damit wir die Freifläche nicht verpassen würden, das Programm weiter Nerven deklinierte und Strom-Tom fluchte: „Ich wusste es! War ja klar, dass es gleich wieder mit irgendeinem Schwachsinn anfängt!“
    „Anfangen“, wiederholte das Programm scheinbar willkürlich, jedoch nicht ohne die entsprechende Begeisterung. „Der Anfang. Aller Anfang ist schwer. Ich fange an, du fängst an …“
    Als es bei der 3. Person Plural angekommen war, rutschte meine Linke plötzlich ins Leere. „Hier ist es!“, rief ich und bog nach links. Die Hände abwechselnd nach vorne und zur Seite streckend, ging ich weiter, bis der Gang nach rechts knickte. An seinem Ende befand sich eine silberne Schwingtür ohne Knauf oder Türgriff, wie man sie in Restaurantküchen vorfindet. Ich humpelte weiter und stieß die Tür auf. Ein langgezogenes Quietschen verriet mir, dass sie kein Hologramm war. Der Raum dahinter war dunkel. Der Fußboden bestand aus grobem Stein, mehr konnte ich nicht erkennen.
    „Und?“, fragte Strom-Tom. „Haben wir‘s geschafft?“
    „Glaube schon“, sagte ich, während sich die Tür hinter mir mit kürzer werdenden Quietschern schloss und die Finsternis um mich herum sogar noch einen Tick schwärzer wurde. „Ist nur ziemlich dunkel hier.“ Direkt neben meiner Schulter leuchtete ein bonbonroter, kreisrunder Knopf. „Da ist ein Knopf.“
    „Nicht drücken!“, rief Strom-Tom, doch da stach mein Zeigefinger bereits herzhaft in die Mitte des roten Kreises.
    „Entschuldigung ...“, sagte ich leise.
    „Schon wieder??“, fragte Strom-Tom. Eine nicht zu überhörende Spur von Ungläubigkeit lag in seiner Stimme.
    „Tut mir leid, ist wohl so eine Art Reflex. Kann‘s mir selbst nicht erklären. Muss an der Farbe liegen.“
    Dann ging das Licht an. Es war nicht auszumachen, woher es kam. Lampen, Glühbirnen oder Scheinwerfer waren nicht zu sehen. Es wurde einfach hell.
    „Das ist der Raum mit der Eisentür und dem Kombinationsschloss“, sagte ich. „Aber … wie kann das denn sein? Dann müssten wir ja … im Kreis gelaufen sein. Außerdem …“ Verwirrt sah ich mich um. Von der silbernen Schwingtür fehlte jede Spur. „Wie sind wir überhaupt hier reingekommen? Und woher kommt auf einmal das Licht?“
    „Da ist jetzt doch völlig egal!“, entschied Strom-Tom kurzerhand. „Ist die Treppe noch da, über die wir runtergekommen sind?“
    „Ja. Warum sollte die nicht mehr da sein?“
    Strom-Tom überging meine Frage. „Dann los! Hoch mit dir! Wir müssen deine Omi und Elenor retten!“
    Er hatte recht. Wir waren schon viel zu lange hier unten. Also stieg ich die hohen Stufen des schmalen Stollens hinauf und öffnete die Geheimklappe zu Omis Garten.

Zurück in Omis Garten

    Es war früher Morgen. Die Luft war kühl und diesig. Die ersten Sonnenstrahlen lugten über den Bretterzaun und warfen lange Schatten auf die Beete und den Rasen. Alles war so, wie ich es verlassen hatte. Das Gras war gemäht, und das grüne Monstrum war nirgends zu sehen. Doch Äußerlichkeiten können täuschen, sagte Omi immer. Also kniete ich mich direkt neben der Klappe auf den Rasen und grub meine Finger tief ins Erdreich. Es war kalt und feucht. Ich schaufelte mit meinen Händen kleine Steine, ganze Grashalme und einen sich aufgeregt windenden Regenwurm heraus. Ich spürte die Nässe und Kälte. Meine Fingerkuppen waren rot und brannten. Ich lächelte. Es war wunderschön. Es war echt. Kein Hologramm, keine digitale Illusion.
    „Wir sind zu Hause“, sagte ich, ohne zu wissen, wo Strom-Toms Zuhause überhaupt war.
    Trotzdem teilte er meine Erleichterung. „Endlich …“
    Ich stand auf und ging zur Terrasse hinüber. Die Wiese unter meinen Turnschuhen erschien mir herrlich uneben. Alles war echt.
    Und trotzdem hatte sich etwas verändert.
    Verdutzt blieb ich stehen. Der Satz hatte sich völlig unbemerkt in meine Gedanken geschoben: Und trotzdem hatte sich etwas verändert. Ich sah mich im Garten um.
    „Was ist los?“, fragte Strom-Tom.
    Ich sagte es ihm.
    „Was soll sich denn verändert haben?“, fragte er.
    „Ich weiß es nicht. Aber irgendwas ist anders.“ Dann erkannte ich es: Die Luft! Die Luft hatte sich verändert. Es roch in Omis Garten anders als sonst.

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