Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
Knacken schaltete sich die Deckenbeleuchtung ein. Das Innere des U-Boots war nicht besonders groß. In der Mitte des Raums waren Rücken an Rücken zwei Sitzreihen installiert, die Blick auf die kahlen Wände boten, welche wie Boden und Decke aus schwarzem Metall bestanden. Omi wischte sich mit der Küchenschürze über die Stirn. Anschließend betrachtete sie den Stoff zwischen ihren Fingern.
„Du blutest ja!“, rief ich erschrocken.
Omi winkte ab. „Halb so schlimm … Ich hab mir nur den Kopf gestoßen.“ Sie sah auf. „An diesem Metallding da.“
„Darf ich korrigieren?“, schaltete sich das U-Boot ein.
„Was ist denn?“, fragte ich.
„Darf ich korrigieren?“, fragte das U-Boot wieder.
„Ja, bitte!“
„Das ist kein Metallding. Die Dame hat sich den Kopf am Notausgang gestoßen.“
Beim Wort Notausgang ruckte drei Köpfe herum und sechs Augen starrten auf den Metallhebel, der scheinbar völlig willkürlich aus der Wand ragte. Ich war der Erste, der aussprach, was wir alle dachten: „Na, dann sollten wir den gleich mal ausprobieren!“
„Davon würde ich abraten“, empfahl das U-Boot mit leichter Hochnäsigkeit.
„Und warum?“, fragte ich, als klar war, dass wir es ohne Nachfragen nicht mehr erfahren würden.
„H2O“, lautete die Antwort.
„H2O?“, fragte Omi.
„Richtig“, bestätigte das U-Boot. „Wasser. Flüssige Materie. Gut zum Trinken, schlecht zum Atmen.“
„Wir sind unter Wasser?“, fragte ich.
„Ich bin ein U-Boot“, entgegnete das U-Boot und ergänzte dann: „Werfen Sie doch mal einen Blick aus dem Fenster.“
Erneut glotzten wir den kahlen Stahl an.
„Da sind keine Fenster“, sagte ich.
„Oh, ich bin heute schon wieder so vergesslich“, seufzte das U-Boot. „Aktiviere Fenster.“
Auf beiden Längsseiten glitten die Metallwände nach oben und gaben die Sicht auf eine riesige Unterwasserwelt frei. Ein erstauntes Raunen ging durch unsere kleine Gruppe. Die bunten Korallen waren in notenschlüsselartigen Mustern angeordnet, die Felsen glichen geometrischen Formen und die langen Gräser der Pflanzen wogten in einem festen Rhythmus hin und her, als würden sie uns zuwinken. Alles wirkte zu genau arrangiert, um natürlich gewachsen zu sein. Wir befanden uns in einem riesigen Aquarium.
„Hübsch“, sagte Omi.
„Nicht wahr?“, entgegnete das U-Boot zufrieden. „Auf der rechten Seite sehen Sie nun die unglaublichen Display-Outplay-Produktions-Anlagen, sowie die Kantine der königlichen Burner.“
Erst jetzt richtete ich meinen Blick auf den Hintergrund. Er glich einer Mischung aus der Instrumententafel eines Jumbo-Jets und einem Glücksspiel-Automaten. Überall blinkten und flimmerten Lichter. Dazwischen schwirrten kleine rundliche Gestalten durchs Wasser.
„Was bauen diese Wesen denn da?“, fragte ich.
„Ich korrigiere“, kündigte das U-Boot an. „Burner, nicht Wesen.“
„Ja, gut … also, was bauen diese Burner da?“
„Display-Outplays.“ Das U-Boot machte eine Pause und fügte dann mit süffisanter Stimme hinzu: „Wie der Name Display-Outplay-Produktions-Anlage bereits vermuten ließe. Die Burner beginnen ihre Arbeit pünktlich um sechs Uhr morgens und beenden sie um fünf Minuten vor sechs. Ebenfalls morgens.“
„Sie haben nur fünf Minuten Zeit, um zu essen?“, fragte Omi, während ich noch mit Rechnen beschäftigt war.
„Korrigiere“, tat das U-Boot das, was es scheinbar am Besten konnte. „Die Burner essen nicht. Sie sind Roboter. Die Kantine fungiert nur als Motivation.“
„Aber wenn sie doch sowieso nichts essen …“, setzte ich an.
„Das ist ja unfair!“, unterbrach Omi aufgebracht.
Das U-Boot antwortete nicht. Anscheinend gab es an der Aussage nichts zu berichtigen.
„Und wofür benötigt man diese Display-Outplays?“, erkundigte sich Tante Hablieblieb.
„Für nichts“, entgegnete das U-Boot.
„Wie, für nichts?“, fragte ich.
„Display-Outplay erfüllen keinen Zweck. Sie sind völlig nutzlos.“
„Und warum werden sie dann überhaupt gebaut?“, fragte Omi.
„Damit die Burner arbeiten.“
„Das ist doch totaler Schwachsinn!“
Wieder erwiderte das U-Boot nichts.
„Wenn Sie jetzt bitte alle nach links schauen würden“, sagte es nach einer Weile und wartete, bis alle auf die gegenüberliegende Seite der Kabine gegangen waren. „Hier sehen Sie die romantischen Gartenanlagen des hochfürstlichen Adels.“
Wir drückten uns die Nasen an der Glasscheibe platt.
„Wo denn?“, fragte
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