Von Liebe und Gift
zitterte am ganzen Körper. Kleine Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. „Ich habe das Gefühl, als würde ich erfrieren“, gestand er und schloss erschöpft die Augen. Dass er eigentlich schwitzte, weil ihm unerträglich heiß war, registrierte er nicht.
„Kann ich dir noch etwas bringen?“, fragte Francis fürsorglich, doch er schüttelte nur verneinend den Kopf. Als Francis wieder in den Flur kam, wurde sie von Geros fragenden Blicken durchlöchert.
„Hat er Schüttelfrost? Grippe?“
„Nein“, erwiderte Francis. „Es ist endlich soweit. Er will nicht mehr.“
Gero runzelte die Stirn. „Was will er nicht mehr?“
„Na, Drogen nehmen!“ Francis’ Stimme klang augenblicklich euphorisch. „Er ist, glaube ich, zur Vernunft gekommen.“ Sie strahlte über das ganze Gesicht, als gäbe es keine schönere Nachricht. Bei Gero machte sich indessen nur blankes Entsetzen breit.
„Soll das heißen, er ist auf Entzug?“
Francis nickte.
„Hier? Auf dem Sofa?“ Gero konnte es kaum glauben. Er merkte, wie sein Herz wild zu schlagen begann. Schon wieder Aufregung. Jeden Tag was neues … Wann hörte das endlich auf?
„Er wollte in keine Klinik“, berichtete Francis. „Er hat seit gestern nichts mehr genommen.“
„Oh, mein Gott!“ Gero fuhr sich über das Gesicht. „Das wird er so nicht durchstehen.“
„Er hat Beruhigungstabletten da“, sagte Francis. Sie war ganz ruhig, schien daran zu glauben, dass der Entzug mit wenigen Tabletten zu meistern wäre. Vielleicht wie damals, als er versucht hatte ohne Kokain auszukommen …
„Das reicht doch nicht!“, entgegnete Gero aber sofort und zerschlug damit ihre Hoffnungen. „Ich muss mit ihm reden …“
Er wollte wieder ins Wohnzimmer gehen, doch Francis hielt ihn zurück.
„Er will nicht, dass du bei ihm bist“, erinnerte sie.
„Wieso nicht?“ Allmählich wurde Gero hektisch. „Ich will doch nur bei ihm sein, ihm helfen, mit ihm drüber reden …“
Francis seufzte. „Ich glaube, er schämt sich unheimlich. Er ist so schwach, hat keine Macht mehr über seinen eigenen Körper.“ Sie sah Gero eindringlich an. „Er will nicht, dass du ihn so siehst, verstehst du?“
Gero wand sich ein wenig. „Das ist doch aber Quatsch.“
Im Hintergrund hörte man Neal plötzlich laut stöhnen.
Gero schluckte trocken. „Hat er etwa Schmerzen? Jetzt schon?“
„Magenschmerzen, Muskelkrämpfe“, berichtete Francis. „… die ganze Zeit. Er will nichts dagegen tun. Er will es ertragen“, sagte sie leise und traurig.
Erneut hörte man Neal wimmern. Diese Laute gingen durch Mark und Bein. Gero merkte, wie ihm selbst ganz flau wurde.
„Das ist ja schrecklich“, entwich es ihm. „Er quält sich doch total.“
Kaum hatte er das ausgesprochen, hörte man Neal erneut stöhnen, doch diesmal lauter.
„Ahhh! Shit!“
Gero schüttelte den Kopf. Er konnte es kaum ertragen, seinen Freund so leiden zu sehen. „Wieso will er plötzlich aufhören? Und so ganz auf eigene Faust? Das ist doch Wahnsinn!“
Francis zuckte mit den Schultern. Sie ging vor in die Küche, wo sie sich und Gero etwas zu trinken einschenkte, dann fing sie an zu erzählen.
„Gestern Nachmittag wollte er Nicki vom Hort abholen. Die Erzieherin war mehr als entsetzt über Neals Verfassung. Sie hat ihn gar nicht wiedererkannt. Sie hat mich angerufen. Die wollten Nicholas nicht mit Neal gehen lassen.“
Als Gero die Geschichte hörte, setzte er sich. Sein Gesicht war betroffen.
„Als ich dann am Hort ankam“, erzählte Francis weiter, „war ich selbst ganz erschüttert. Neal war völlig stoned. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Er hat nichts mehr auf die Reihe gekriegt.“ Sie fuhr sich über die Augen, die während der Erzählung ganz feucht geworden waren. „Ihm war es auch unheimlich peinlich. Er hat nichts mehr gesagt.“ Sie machte eine Pause und setzte sich ebenfalls. „Ich glaube, dass schlimmste war für ihn, dass man ihm Nicholas nicht anvertrauen wollte. Das scheint ihn wachgerüttelt zu haben, jedenfalls hat er sich abends auf das Sofa gelegt und seitdem nichts mehr genommen.“
Sie griff nach einem Taschentuch, um sich die Nase zu schnäuzen.
„Aber so abrupt!“, schoss es aus Gero heraus. Er konnte alles noch gar nicht realisieren. „Das kann einfach nicht klappen! - Wenn er jetzt schon Beschwerden hat, scheint er das Heroin täglich zu nehmen und zu brauchen. “
Das Stöhnen wurde lauter, sodass Francis und Gero sofort aufstanden und
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