Von Liebe und Gift
den Schultern, signalisierte, dass sie an der Situation nichts ändern konnte.
„Wir haben die Anordnung von den Ärzten“, berichtete sie. „Ich darf Sie nicht reinlassen. Und die Familie Steinert wünscht das auch nicht.“
Neal schluckte. Augenblicklich verspürte er die altbekannte Nervosität in sich aufkeimen. Er lächelte verstört. „Aus welchem Grund? Ich tu doch nichts!“, beteuerte er.
„Es tut mir leid“, sagte die Schwester und schloss die Tür ohne weitere Worte.
Neal blieb wie angewurzelt vor der Tür stehen. Was ging hier vor?
Grübelnd marschierte er um die Klinik herum. Große Bäume und Sträucher verbargen die Sicht in die Fenster, zudem ein Zaun, der das Anwesen wie ein Gefängnis wirken ließ.
Neal wusste sich nicht zu helfen. Wie sollte er dort hineinkommen? Es war aussichtslos, und seine Nervosität wurde immer stärker, ebenso die Schmerzen in seinem Unterleib. Er brauchte dringend Heroin. Mittlerweile kam er kaum zehn Stunden ohne aus.
Aber sein Geist wurde für einen kurzen Moment klarer, als er das Auto der Steinerts auf dem Parkplatz stehen sah. Sie waren also hier. Mussten ja auch irgendwann wieder herauskommen.
Neal drehte um und blieb vor der Stationstür stehen.
Er stand dort eine ganze Weile, hatte inzwischen einige Schmerztabletten trocken hinuntergeschluckt und litt jetzt ebenfalls an Übelkeit, doch er wollte nicht aufgeben.
Schließlich öffnete sich die Tür der Station. Ein kräftiger Mann hatte aufgeschlossen. Geros Eltern traten heraus. Aufgeregt wandte sich Neal sofort an sie:
„Wie geht es Gero? Wird er wieder gesund?“
Als die Steinerts Neal sahen, verschlug es ihnen zuerst die Sprache, dann schoss es nur so aus Herrn Steinert heraus:
„Dass Sie sich noch trauen hier aufzukreuzen!“, schrie er fassungslos. „Hauen Sie bloß ab!“
Neal schluckte, eine derart zornige Reaktion hatte er bei weitem nicht erwartet. Er versuchte, sich zu erklären:
„Ich will doch nur wissen, wie es ihm geht.“
„Gehen Sie mir aus den Augen, sonst vergesse ich mich!“, bekam er als Antwort. „Sie hätten meinen Sohn auf dem Gewissen gehabt, wenn er gestorben wäre! Ist Ihnen das eigentlich bewusst?“
Neal schloss verbittert die Augen. War es denn wirklich seine Schuld? Hatte es nicht gereicht, dass Francis ihn dafür verantwortlich gemacht hatte?
„Das wollte ich doch nicht“, beteuerte er verzweifelt. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass es Gero seelisch so schlecht ging.“
Mit großen Augen sah er Herrn Steinert an, doch der winkte nur ab, schien an keiner weiteren Diskussion interessiert.
„Ach, was rede ich überhaupt noch mit Ihnen. Sie Dreckskerl!“ Geros Vater wandte sich um und verschwand in Richtung Parkplatz. Frau Steinert folgte, da versuchte es Neal noch einmal.
„Bitte, warten Sie. Bitte!“, rief er ihr nach und fasste behutsam an ihre Schulter. Vorsichtig drehte sich Frau Steinert um.
„Ich will doch nur wissen, wie es ihm geht, bitte …“, sprach Neal leise. Seine Nerven lagen sichtlich blank.
„Er ist sehr müde“, sagte Frau Steinert. „Er hat viel Blut verloren.“
Neal schluckte verkrampft. „Ich habe das nicht gewollt“, versicherte er erneut. „Das müssen Sie mir glauben …“
Geros Mutter nickte.
„Sie trifft sicher nicht die ganze Schuld“, sagte sie. „Gero war schon immer sehr sensibel“, erklärte sie, dabei dachte sie lächelnd an ihren Sohn. „Er nimmt sich immer alles sehr zu Herzen.“ Ihre Mundwinkel zuckten, als wolle sie weinen, doch sie riss sich zusammen.
„Es tut mir so furchtbar leid“, gestand Neal. Und er meinte es so. Was anderes hätte er in diesem Moment nicht sagen oder tun können. Er atmete tief durch. Die Krämpfe in seinem Bauch wurden stärker.
„Schon gut“, erwiderte Geros Mutter. Sie schien ihm tatsächlich nicht böse zu sein, und so wagte Neal einen weiteren Schritt.
„Wann kann ich ihn denn sehen?“, fragte er zaghaft, woraufhin Frau Steinert seufzte.
„Ich denke“, fing sie an zu erklären, „es ist für uns alle das Beste, wenn Sie die Freundschaft zu Gero beenden …“
„Was?“, rief Neal erschrocken.
„Sie sehen doch, wohin diese Beziehung geführt hat“, fügte Frau Steinert hinzu.
„Aber …“ Neal fehlten die Worte. Er wand sich, seine Augen schwirrten unruhig umher. Das konnte doch nicht wahr sein!
„Es ist besser so, glauben Sie mir“, hörte er sie sagen. „Und ich denke mal, Sie müssen sich erst einmal um sich
Weitere Kostenlose Bücher