Von Liebe und Gift
von Thilo zurück ins Kinderzimmer geschickt. „Nichts schlimmes, Nicki. Wir haben was zu besprechen … unter Erwachsenen.“
Als Nicholas wieder in seinem Zimmer war, ging die Diskussion weiter.
„Er will bestimmt nicht, dass Schluss ist“, beteuerte Neal. Inzwischen hatte er seine Schwester wieder los gelassen und lehnte erschöpft an der Wand, die Arme fest vor dem Bauch verschränkt, als hätte er dort Beschwerden. Mit geschlossenen Augen sprach er weiter, voller Zorn und Wut.
„Die haben ihn doch manipuliert! Die haben ihm das eingeredet!“ Er verzog sein Gesicht und brüllte den Frust aus sich heraus.
„Niemals würde er mit mir Schluss machen! Niemals!“
Sogleich war Thilo da und griff nach ihm. „Bitte, beruhige dich!“, bat er. Da atmete Neal erschöpft aus. In Thilos Armen wurde er schwach, drohte in sich zusammenzusacken. Mit wenig Kraftanstrengung lotste Thilo seinen hageren Körper zum Tisch, wo Neal benommen Platz nahm.
„Die können uns nicht auseinanderbringen“, jammerte Neal weiter. Er senkte den Kopf und bettete ihn schließlich auf dem Küchentisch. Sein Oberkörper zuckte, man hörte ihn leise schluchzen.
Am nächsten Tag fuhr Francis wieder in die Klinik. Das Wetter war schön, so dass sie mit Gero in den Stationsgarten gehen konnte. Dort setzten sie sich auf den Rasen. Nichts, außer der hohen Mauer um den Garten herum, erinnerte an eine Psychiatrie.
„Wie fühlst du dich?“, fragte Francis, während sie Gero sanft über den Rücken streichelte. Er trug einen hellblauen Fleecepullover mit langen Ärmeln. Trotzdem bemerkte sie die dicken Bandagen an seinen Handgelenken. Und wenn er etwas mit seinen Händen anfasste oder berührte, konnte man in seinem Gesicht sehen, dass er noch Schmerzen hatte.
Dennoch machte er auf Francis schon wieder einen recht munteren Eindruck.
„Eigentlich fühle ich mich ganz gut“, gab er zu Francis’ Zufriedenheit von sich. „Dieser Druck in mir ist weg. Ich fühle mich richtig frei.“
Er lächelte, dabei sah er aber zu Boden, als müsse er sich dafür schämen.
„Trotzdem mache ich mir Gedanken … um Neal.“ Er seufzte. Prüfend sah er Francis an. „Wie geht es ihm denn? Wie nimmt er das alles auf?“
Francis schüttelte den Kopf. Sie wollte Gero nichts vormachen und ehrlich sein.
„Er ist ziemlich fertig deswegen. Er will unbedingt zu dir. Es tut ihm leid, sagt er. Er begreift einfach nicht, dass eine Trennung für euch beide das Beste ist.“
Augenblicklich wurde Gero nachdenklich.
„Meinst du denn wirklich, dass es richtig ist, ihn jetzt alleine zu lassen? Jetzt, wo es ihm so schlecht geht? Er braucht doch Hilfe …“
Diese Worte zeigten Francis, dass Gero sich tatsächlich Gedanken machte, und das war kein erfreuliches Anzeichen. „Wichtig ist jetzt, dass du wieder gesund wirst. Du darfst nicht vergessen, was Neal dir alles angetan hat. Du wolltest dich umbringen, weil du die ganze Situation nicht mehr ertragen hast. Du musst jetzt an dich denken“, sagte sie eindringlich und seufzend fügte sie hinzu: „Neal kann man momentan nicht helfen. Wir haben doch wirklich alles versucht. Es hat doch nichts gebracht!“
Da nickte Gero.
„Du hast Recht. Ich muss erstmal wieder Ordnung in mein Leben kriegen, das sagen die Ärzte und Therapeuten auch. In den Gesprächen erfahre ich viel über mich selbst. Über meine Ängste und Träume, über meine Fehler …“
Er zog die Augenbrauen zusammen, als würde er alles, was ihm klar geworden war, noch einmal durchdenken.
„Es ist beängstigend zu erfahren, wie sehr ich von Neal beeinflusst worden bin. Egal was war, ich habe immer nachgegeben, weil ich wusste, dass er es belohnen würde. Er hat mich immer wieder rumgekriegt.“
„Du warst verliebt“, erinnerte Francis. Irgendwie konnte sie das alles inzwischen nachvollziehen.
„Aber so sehr?“, gab Gero zu bedenken, „so sehr, dass mir alles egal war? Die Hauptsache war, dass Neal bei mir war, dass er mir Zärtlichkeiten gab und mit mir schlief. Das war mir so unheimlich wichtig.“
Er atmete tief durch. Es war befreiend für ihn darüber zu sprechen, auch wenn es ihm verdammt schwer fiel.
„Das ist ja nun alles vorbei“, stellte Francis fest. Sie umarmte Gero fürsorglich. „Du wirst nie wieder von jemandem abhängig sein – weder psychisch noch physisch, versprochen?“
Da musste Gero lächeln. „Ja, versprochen.“
„Sie müssen sich mehr schonen, Frau Anderson“, sagte
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